Die Frau und der Sozialismus: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
oder herrenlos gewordene Bauerngüter einsackte und sowohl freie wie leibeigene Bauern von Haus und Hof vertrieb und mit deren Gütern sich bereicherte. Die verunglückten Bauernaufstände im sechzehnten Jahrhundert lieferten dazu den erwünschten Vorwand. Und nachdem der Versuch einmal gelungen war, fehlte es nicht an Gründen, um in gleich gewalttätiger Weise weiter zu gehen. Mit Hilfe von allerlei Schikanen, Drangsalierungen und Rechtsverdrehungen, zu denen das mittlerweile allgemein eingebürgerte römische Recht die bequeme Handhabe bot, wurden, um des Adels Besitz zu arrondieren, die Bauern zu niedrigsten Preisen ausgekauft oder von ihrem Eigentum verdrängt. Ganze Dörfer, die Bauernhöfe halber Provinzen wurden auf diese Weise niedergeworfen. So waren, um nur einige Beispiele anzuführen, von 12.543 ritterschaftlichen Bauernstellen, die Mecklenburg noch zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges besaß, im Jahre 1848 nur noch 1.213 vorhanden. In Pommern gingen seit 1628 über 12.000 Bauernhöfe ein. Die Umwandlung in der bäuerlichen Wirtschaftsweise, die sich im Laufe des siebzehnten Jahrhunderts vollzog, war ein weiterer Anreiz, die Expropriation der Bauernhöfe vorzunehmen und die letzten Reste des Gemeindelandes in adliges Besitztum zu verwandeln. Es war die Koppelwirtschaft eingeführt worden, die erlaubte, in bestimmten Zeitabschnitten einen Wechsel in der Bebauung des Grund und Bodens eintreten zu lassen. Getreideland wurde zeitweilig in Weide verwandelt, was die Viehzucht begünstigte und ermöglichte, die Zahl der Arbeitskräfte zu vermindern.
In den Städten sah es nicht besser aus als auf dem Lande. Ehemals hatte man ohne Widerstreben auch den Frauen gestattet, den Meistertitel zu erwerben und Gesellen und Lehrlinge zu beschäftigen, ja man zwang sie sogar in die Zünfte, um sie zu gleichen Konkurrenzbedingungen zu nötigen. So gab es selbständige Frauen in der Leinenweberei, der Wollweberei, der Tuchmacherei und Schneiderei, der Teppichwirkerei; es gab weibliche Goldspinner, Goldschläger, Gürtler, Riemenschneider usw. Wir finden zum Beispiel weibliche Kürschner in Frankfurt und in den schlesischen Städten, Bäcker in den mittelrheinischen Städten, Wappensticker und Gürtler in Köln und Straßburg, Riemenschneider in Bremen, Tuchscherer in Frankfurt, Lohgerber in Nürnberg, Goldspinner und Goldschläger in Köln . In dem Maße aber, wie die Verhältnisse der Handwerker sich verschlechterten, verschlechterte sich speziell die Stimmung gegen die weiblichen Konkurrenten. In Frankreich wurden die Frauen schon mit dem Ende des vierzehnten Jahrhunderts vom Gewerbe ausgeschlossen, in Deutschland erst gegen Ende des siebzehnten Jahrhunderts. Anfangs verbot man ihnen, Meister zu werden – mit Ausnahme der Witwen –, später schloß man sie auch als Gehilfinnen aus. Auch die Beseitigung des prunkvollen katholischen Kultus durch Protestantisierung hatte eine Menge Gewerbe, namentlich Kunstgewerbe, aufs schwerste geschädigt oder gänzlich vernichtet, und gerade in diesen Gewerben waren viele Frauen beschäftigt gewesen. Ferner veranlaßte die Konfiskation und Säkularisation der großen Kirchenvermögen einen Rückgang der Armenpflege, unter dem in erster Linie die Witwen und Waisen litten.
Der allgemeine wirtschaftliche Zerfall, der aus all den angeführten Ursachen im sechzehnten Jahrhundert eingetreten war und das siebzehnte Jahrhundert fortdauerte, veranlaßte alsdann eine immer strengere Ehegesetzgebung. Handwerksgesellen und dienenden Personen (Knechten und Mägden) wurde die Ehe überhaupt verboten, es sei denn, sie konnten beweisen, daß keine Gefahr bestand, der Gemeinde, zu der sie gehörten, mit ihrer künftigen Familie zur Last zu fallen. Eheschließungen ohne die gesetzlichen Voraussetzungen wurden mit harten, zum Teil barbarischen Strafen belegt, zum Beispiel nach dem bayerischen Rechte mit Karbatschstreichen und Einsperrung. Besonders harten Verfolgungen waren aber die sogenannten wilden Ehen ausgesetzt, die sich um so häufiger bildeten, je schwerer die Erlangung der Erlaubnis zur Heirat war. Die Angst vor Übervölkerung beherrschte die Gemüter, und um die Zahl der Bettler und Vaganten zu vermindern, jagte ein landesherrliches Dekret das andere, und eines war härter als das andere.
Sechstes Kapitel - Das achtzehnte Jahrhundert
1. Hofleben in Deutschland
Dem Beispiel Ludwigs XIV. von Frankreich folgend, entfaltete die große Mehrzahl der in jener Zeit
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