Die Frau und der Sozialismus: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
überseeischen Gebieten begann, so stellte sich für die vorgeschritteneren Regierungen das erhöhte Bedürfnis heraus, die Eheschließung und die Niederlassung zu erleichtern.
Das durch seine Weltmachtpolitik frühzeitig an Menschen ausgepowerte Spanien sah sich deshalb bereits 1623 genötigt, ein Gesetz zu erlassen, wonach alle Personen, die zwischen dem 18. und 25. Lebensjahr ehelichten, auf eine Reihe Jahre von allen Abgaben und Steuern befreit wurden. Unbemittelten Personen wurde sogar aus öffentlichen Kassen eine Mitgift gewährt. Ferner wurde Eltern, die wenigstens sechs männliche eheliche Kinder am Leben hatten, volle Steuer- und Abgabenfreiheit zugesagt. Auch begünstigte Spanien die Einwanderung und die Kolonisation.
In Frankreich sah sich Ludwig XIV. genötigt, der Menschenverwüstung, die er durch seine Kriege herbeigeführt hatte, dadurch entgegenzuwirken, daß er allen Taillepflichtigen, und dazu gehörte die sehr große Mehrheit der Bevölkerung, wenn sie vor dem 21. oder 20. Lebensjahr heirateten, auf vier beziehungsweise fünf Jahre Abgabenfreiheit bewilligte. Volle Abgabenfreiheit wurde ferner allen Taillepflichtigen gewährt, die zehn lebende Kinder hatten, von denen keines Priester, Mönch oder Nonne geworden war. Edelleute mit der gleichen Zahl Kinder, von denen keines geistlich geworden war, erhielten eine jährliche Pension von 1.000 bis 2.000 Livres, und die der Taille nicht unterworfenen Bürger erhielten unter den gleichen Bedingungen die Hälfte dieser Summe. Der Marschall Moritz von Sachsen riet sogar Ludwig XV. an, Eheschließungen nur auf die Dauer von fünf Jahren zuzulassen.
In Preußen suchte man durch Verordnungen in den Jahren 1688, 1721, 1726, 1736 und entsprechende staatliche Maßregeln die Einwanderung zu begünstigen, namentlich die der in Frankreich und Österreich wegen ihrer Religion Verfolgten. Die Bevölkerungstheorie Friedrichs des Großen kommt drastisch in einem Briefe zum Ausdruck, den er am 26. August 1741 an Voltaire richtete, dem er schrieb: "Ich betrachte die Menschen als eine Herde Hirsche in dem Wildpark eines großen Herrn, die keine andere Aufgabe haben, als den Park zu pöblieren." Er hat allerdings durch seine Kriege die Notwendigkeit geschaffen, daß sein Wildpark wieder pöbliert wurde. Auch begünstigte man in Österreich, Württemberg und Braunschweig die Einwanderung und erließ in diesen Staaten wie in Preußen Auswanderungsverbote. Ferner beseitigten im achtzehnten Jahrhundert England und Frankreich alle Eheschließungs- und Niederlassungshindernisse, Beispiele, denen andere Staaten folgten. In den ersten drei Vierteln des achtzehnten Jahrhunderts betrachteten die Nationalökonomen, wie die Regierungen, eine große Bevölkerungszahl als Ursache der höchsten Glückseligkeit der Staaten. Erst mit dem Ende des achtzehnten und dem Anfang des neunzehnten Jahrhunderts trat wieder ein Umschlag ein, hervorgerufen durch große ökonomische Krisen und revolutionäre und kriegerische Ereignisse, die in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts sich fortsetzten, speziell im südlichen Deutschland und Österreich. Man erhöhte jetzt wieder das Alter, in dem eine Ehe geschlossen werden durfte, und verlangte für die Eheschließung den Nachweis eines bestimmten Vermögens oder eines gesicherten Einkommens und eine bestimmte Lebensstellung. Den Mittellosen wurde die Schließung einer Ehe unmöglich gemacht, und man räumte namentlich den Gemeinden einen großen Einfluß auf Festsetzung der Aufnahme- und Eheschließungsbedingungen ein. Man verbot sogar hier und da den Bauern die Errichtung sogenannter Tagewerkshäuser oder verordnete, wie in Bayern, das noch bis in die Jetztzeit eine rückständige Heimatsgesetzgebung besitzt, die Niederreißung der ohne kurfürstlichen Konsens erbauten Tagewerkshäuser an. Nur in Preußen und Sachsen blieb die Ehegesetzgebung vergleichsweise liberal. Die Folge dieser Ehebeschränkungen war, daß, da die menschliche Natur sich nicht unterdrücken läßt, allen Hemmnissen und Scherereien zum Trotz Konkubinatsverhältnisse in Menge entstanden und die Zahl der unehelichen Kinder in manchen deutschen Kleinstaaten an die Zahl der ehelichen nahe heranreichte. Das waren die Wirkungen eines väterlichen Regiments, das sich auf seine Moral und sein Christentum etwas zugute tat.
3. Die Französische Revolution und die Großindustrie
Die verheiratete Frau des Bürgerstandes lebte in jener Zeit in strenger
Weitere Kostenlose Bücher