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Die Frau und der Sozialismus: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Die Frau und der Sozialismus: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Titel: Die Frau und der Sozialismus: Erweiterte Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: August Bebel
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kleinsten Raum leben Mann, Frau, Familie und etwaige Hilfspersonen mitten unter den Arbeitsabfällen und bei den unangenehmsten Dünsten und Gerüchen. Dem Wohn- und Arbeitslokal entsprechen die Schlafräume. In der Regel dunkle Löcher, ohne Ventilation, sind diese schon für die Gesundheit bedenklich, wenn darin nur ein Teil der in ihnen untergebrachten Menschen hauste.
     
    Der immer schwerer werdende Kampf ums Dasein zwingt auch oft Frauen und Männer zu Handlungen, die sie unter anderen Verhältnissen verabscheuten. So wurde 1877 in München konstatiert, daß unter den polizeilich eingetragenen und überwachten Prostituierten nicht weniger als 203 Frauen von Arbeitern und Handwerkern waren. Und wie viele verheiratete Frauen geben aus Not sich preis, ohne daß sie sich der polizeilichen Kontrolle unterwerfen, die Schamgefühl und Menschenwürde aufs tiefste verletzt.
     
Zehntes Kapitel - Die Ehe als Versorgungsanstalt
 
1. Die Abnahme der Eheschließungen
 
    Es bedarf wohl keines weiteren Nachweises, daß unter den geschilderten Verhältnissen die Zahl derer wächst, die die Ehe nicht als Paradies ansehen und Bedenken tragen, in eine solche einzutreten. Daher die Erscheinung, daß die Zahl der Eheschließungen in den meisten Kulturstaaten im Rückgang begriffen ist oder stationär bleibt. Erfahrungsgemäß wirkten früher schon die hohen Kornpreise eines einzigen Jahres nachteilig auf die Zahl der Eheschließungen wie der Geburten ein. Aber je mehr die Industrialisierung eines Landes fortschreitet, desto mehr wird diese Zahl bedingt durch das Auf und Ab der gesamten ökonomischen Konjunktur. Wirtschaftliche Krisen und wachsende Verschlechterung der allgemeinen Wirtschaftslage müssen dauernd ungünstig wirken. Das bestätigt die Ehestatistik fast aller Kulturländer.
     
    Nach der neuesten Regierungsenquete wurden in den Vereinigten Staaten im Zeitraum von 1887 bis 1906 12.832.044 Ehen geschlossen.
     
    1887   483.096
     
    1891   562.412
     
    1892   577.870
     
    1893   578.673
     
    1894   566.161
     
    1902   746.733
     
    1903   786.132
     
    1904   781.145
     
    1905   804.787
     
    1906   853.290
     
    Wir sehen also, daß infolge der Krise 1893/94 die Zahl der Eheschließungen im Jahre 1894 nicht nur keine Steigerung erfährt, sondern um 12.512 sinkt. Dieselbe Erscheinung wiederholt sich im Jahre 1904, das ein Minus von 4.987 Ehen aufweist.
     
    In Frankreich zeigten die Eheschließungen folgendes Bild:
     
    1873 – 1877  299.000
     
    1878 – 1882  281.000
     
    1883 – 1887  284.000
     
    1888 – 1892  279.000
     
    1893 – 1897  288.000
     
    1898 – 1902  296.000
     
    1903 – 1907  306.000
     
    Die höchste Zahl weist das Jahr 1873 mit 321.238 Ehen auf. Von da an vermindert sich die Zahl der Eheschließungen, um mit dem Aufschwung des Wirtschaftslebens wieder in die Höhe zu gehen. Im Jahre 1907 zeigt Frankreich die höchste Zahl nach 1873: 314.903 Eheschließungen. Diese Zunahme ist in einem gewissen Grade die Folge des neuen Gesetzes vom 21. Juni 1907, das die zur Eheschließung notwendigen Formalitäten vereinfacht und in den armen Bezirken zum Aufschnellen der Eheziffern geführt hat.
     
    Es kamen auf 1.000 der mittleren Bevölkerung Eheschließende:
     

     
    Daß die Zahl der Eheschließungen in den meisten Ländern, je nachdem industrielle Prosperität oder Krise herrscht, schwankt, zeigt sich ganz eklatant in Deutschland. 1872, das Jahr nach dem Deutsch-Französischen Kriege, ergab für Deutschland, wie das Jahr 1873 für Frankreich, die höchste Zahl der Eheschließenden (423.900). Von 1873 ab fällt diese Zahl und erreicht im Jahre 1879, dem Jahre des Tiefstandes der Krise, ihren niedersten Grad (335.113); sie steigt dann langsam bis zum Jahre 1890, das noch ein Prosperitätsjahr war; sie fällt abermals im Jahre 1892 und steigt wieder mit den Jahren der Prosperität, um im Jahre 1899 und 1900, dem Höchststand der industriellen Blüte, den Höhepunkt zu erreichen (476.491 im Jahre 1900, 471.519 im Jahre 1899). Die neue Krise bringt einen Niedergang. Im Jahre 1902 fällt die Zahl der Eheschließungen abermals auf 457.208, um in den Jahren 1906 und 1907 (498.990 und 503.964) wieder den Höhepunkt zu erreichen. Und wenn im Jahre 1906 die Zahl der Eheschließungen um 13.004 höher war als 1905, so zeigen sich schon die Wirkungen der Krise von 1907 in einer verminderten absoluten Zunahme (nur 4.974 im Vergleich mit 1906) und einer

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