Die Frau und der Sozialismus: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
besten aller Welten".
So wird auch die Ehe des Proletariers immer mehr zerrüttet. Sogar günstige Arbeitszeiten üben ihren zersetzenden Einfluß, denn sie zwingen ihn zur Sonntags- und Überstundenarbeit und nehmen ihm die Zeit, die er für seine Familie noch übrig hatte. In unzähligen Fällen hat er ganze Stunden bis zur Arbeitsstätte; die Mittagspause zum Heimweg zu benutzen ist für ihn eine Unmöglichkeit; er steht morgens mit dem frühsten auf, wenn die Kinder noch im tiefsten Schlafe liegen, und kehrt erst spät am Abend, wenn sie bereits wieder in dem gleichen Zustand sich befinden, an den Herd zurück. Tausende von Arbeitern, namentlich die Bauarbeiter in den größeren Städten, bleiben der weiten Entfernung wegen die ganze Woche von Hause fern und kehren erst am Schlusse derselben zu ihrer Familie zurück. Bei solchen Zuständen soll das Familienleben gedeihen! Nun nimmt aber auch die Frauenarbeit immer mehr überhand, insbesondere in der Textilindustrie, die ihre Tausende von Dampfwebstühlen und Spindelmaschinen von billigen Frauen- und Kinderhänden bedienen läßt. Hier hat sich das frühere Verhältnis umgekehrt. Frau und Kind gehen in die Fabrik, und nicht selten sitzt der brotlos gewordene Mann zu Hause und besorgt die häuslichen Verrichtungen. "So findet man im Chemnitzer Bezirk in Appreturanstalten viele Frauen, die nur im Winter daselbst tätig sind, weil ihre Männer als Handarbeiter, Maurer, Zimmerer usw. im Winter gar keinen oder nur geringen Verdienst haben. In anderen Bezirken suchen die Frauen von Bauarbeitern während der Wintermonate Beschäftigung in Fabriken. Es kommt sehr häufig vor, daß während der Abwesenheit der Frau der Mann die Wirtschaft besorgt" . In Nordamerika, das bei seiner rapiden kapitalistischen Entwicklung alle Übel europäischer Industriestaaten in viel größerem Umfang erzeugt, hat man für den Zustand, den diese Verhältnisse hervorriefen, einen sehr charakteristischen Namen. Man nennt Industrieorte, in denen hauptsächlich die Frauen beschäftigt sind, während die Männer zu Hause sitzen, she towns , wörtlich "Siestädte", Frauenstädte .
Die Zulassung der Frauen zu allen gewerblichen Berufen ist heute allseitig zugestanden. Die bürgerliche Gesellschaft, jagend nach Profit und Gewinn, hat längst erkannt, welch ein vortreffliches Ausbeutungsobjekt im Vergleich mit dem Manne die sich leichter fügende und schmiegende und anspruchslosere Arbeiterin ist . So ist die Zahl der Berufe und Beschäftigungsarten, in welchen Frauen als Arbeiterinnen Anwendung finden, eine mit jedem Jahre wachsende. Die Ausdehnung und Verbesserung der Maschinerie, die Vereinfachung des Arbeitsprozesses durch immer größere Arbeitsteilung, der wachsende Konkurrenzkampf der Kapitalisten unter sich wie der auf dem Weltmarkt in Rivalität stehenden Industrieländer begünstigt die immer weitere Anwendung der Frauenarbeit. Das ist eine Erscheinung, die allen Industriestaaten gemeinsam ist. Aber in dem Maße, wie die Zahl der Arbeiterinnen sich vermehrt, werden diese vielfach Konkurrenten der männlichen Arbeiter. Zahlreiche Äußerungen in den Berichten der Fabrikinspektoren wie in den statistischen Angaben über die Beschäftigung von Arbeiterinnen bestätigen dieses.
Am schlimmsten ist die Lage der Frauen in denjenigen Gewerbezweigen, in welchen sie überwiegend beschäftigt sind, wie zum Beispiel in der Bekleidungs- und Wäscheindustrie, namentlich in den Arbeitszweigen, in welchen die Arbeit in der eigenen Wohnung für den Unternehmer verrichtet wird. Die stattgehabten Untersuchungen über die Lage der Arbeiterinnen in der Wäschefabrikation und der Konfektionsbranche, die im Jahre 1886 der Bundesrat veranstaltete, haben auch ergeben, daß die erbärmlichen Lohnverhältnisse dieser Arbeiterinnen sie vielfach zu Nebenverdienst durch Preisgabe ihres Körpers zwingen.
Unser christlicher Staat, dessen Christentum man in der Regel dort vergeblich sucht, wo es angewendet werden sollte, und dort findet, wo es überflüssig oder schädlich ist, dieser christliche Staat handelt wie der christliche Bourgeois, was den nicht wundert, der weiß, daß der christliche Staat nur der Kommis unseres christlichen Bourgeois ist. Der Staat entschließt sich schwer zu Gesetzen, welche die Frauenarbeitszeit auf ein erträgliches Maß beschränken und die Kinderarbeit verbieten, wie er auch vielen seiner Beamten weder ausreichende Sonntagsruhe noch eine normale Arbeitszeit gewährt
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