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Die Frau und der Sozialismus: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Die Frau und der Sozialismus: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Titel: Die Frau und der Sozialismus: Erweiterte Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: August Bebel
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erster Linie durch die soziale Stellung beeinflußt, begünstigt, gehemmt oder umgewandelt. Derselbe Trieb, der unter ungünstigen Verhältnissen als ein Fehler sich darstellt, wird unter günstigen eine Quelle des Glücks für die Person und für andere. Fourier hat das Verdienst, den Nachweis glänzend geführt zu haben, wie ein und dieselben Triebe des Menschen unter verschiedenen Verhältnissen ganz entgegengesetzte Resultate erzeugen .
     
    Neben den Einwirkungen einer verkehrten geistigen Erziehung laufen nicht minder wichtige Einwirkungen von verkehrter oder mangelnder physischer Erziehung, in Rücksicht auf den Naturzweck. Alle Ärzte stimmen darin überein, daß die Vorbildung der Frau für ihren Beruf als Mutter und Kindererzieherin fast alles zu wünschen übrig läßt. "Man übt den Soldaten in der Führung seiner Waffe und den Handwerker in der Handhabung seiner Werkzeuge, jedes Amt erfordert seine Studien; selbst der Mönch hat sein Noviziat. Nur die Frau wird für ihre ernsten Mutterpflichten nicht erzogen" . Neun Zehntel der Jungfrauen, die zu heiraten Gelegenheit bekommen, treten mit fast vollkommener Unwissenheit über die Mutterschaft und ihre Pflichten in die Ehe. Die unverantwortliche Scheu selbst der Mütter, mit der erwachsenen Tochter über die so wichtigen geschlechtlichen Funktionen zu sprechen, läßt sie über ihre Pflichten gegen sich und ihren Gatten in der schwärzesten Unwissenheit. Mit dem Eintritt in die Ehe betritt die Frau in der Regel ein ihr vollkommen fremdes Gebiet; sie hat sich davon ein Phantasiegemälde entworfen, meist aus Romanen der nicht empfehlenswertesten Art, das zu der Wirklichkeit sehr wenig paßt . Die mangelnden Wirtschaftskenntnisse, die, wie noch die Dinge liegen, für die Ehe notwendig sind, wenn auch viele früher als selbstverständlich angesehene Tätigkeiten der Frau abgenommen wurden, geben ebenfalls manchen Anlaß zu Differenzen. Die einen verstehen von der Wirtschaft nichts, weil sie sich zu gut dafür halten, sich darum zu bekümmern, und meinen, das sei Sache der Dienstboten; die anderen, aus den breiten Massen, verhindert der Kampf um die Existenz, sich für den Beruf als Wirtschafterinnen auszubilden, sie müssen von früh bis spät in die Werkstatt oder Fabrik. Es zeigt sich immer mehr, daß die Einzelwirtschaft durch die Entwicklung der Verhältnisse ihren Boden verliert und nur durch unsinnige Opfer an Geld und Zeit aufrechterhalten wird.
     
    Eine andere Ursache, die für nicht wenige Männer den Ehezweck aufhebt, liegt in der physischen Entwicklung vieler Frauen. Unsere Nahrungs-, Wohn-, Arbeits- und Unterhaltungsweise, kurz die ganze Lebensweise wirkt vielfach mehr zerstörend als fördernd auf uns ein. Mit Fug und Recht kann man von einem nervösen Zeitalter sprechen; aber die Nervosität geht Hand in Hand mit physischer Degeneration. Anämie (Blutarmut) und Nervosität sind namentlich bei dem weiblichen Geschlecht in ganz enormem Maße verbreitet. Diese werden immer mehr zu einer gesellschaftlichen Kalamität, die, falls sie noch einige Generationen währte, ohne daß es gelingt, unsere gesellschaftliche Organisation auf normalere Entwicklungsbedingungen zu stellen, unser Geschlecht dem Verderben entgegenführte .
     
    Der weibliche Organismus bedarf in Rücksicht auf den Geschlechtszweck ganz besonderer Pflege, namentlich gute Ernährung und in besonderen Perioden auch auskömmliche Schonung. Beides ist für die sehr große Mehrzahl des weiblichen Geschlechts nicht vorhanden und unter den heutigen Verhältnissen auch kaum zu schaffen. Auch hat sich die Frau so an die Bedürfnislosigkeit gewöhnt, daß zum Beispiel zahllose Frauen es für eine eheliche Pflicht halten, die guten Bissen dem Manne vorzusetzen und sich selbst mit dürftiger Nahrung zu begnügen. Ebenso werden häufig die Knaben in der Ernährung vor den Mädchen bevorzugt. Der Glaube ist allgemein verbreitet, daß sich die Frau nicht nur mit weniger, sondern auch mit schlechterer Nahrung begnügen könne als der Mann. Daher das traurige Bild, das insbesondere unsere weibliche Jugend dem Sachverständigen bietet . Ein großer Teil unserer jungen Frauen ist körperlich schwach, blutarm, extrem nervös. Die Folgen sind Menstruationsbeschwerden, Krankheiten der Organe, die mit dem Geschlechtszweck in Verbindung stehen, die sich oft bis zur Unfähigkeit oder Lebensgefährlichkeit, Kinder zu gebären oder zu säugen, steigern. "Wenn diese Degeneration unserer Frauen noch weiterhin in

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