Die Frau und der Sozialismus: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
Thomas Aquin, der bis jetzt als die größte Autorität auf dem Gebiet der Theologie gilt, hat es noch drastischer ausgesprochen: "Die Prostitution in den Städten gleicht der Kloake im Palast; schafft die Kloake ab, und der Palast wird ein unreiner und stinkender Ort werden." Das Provinzialkonzil zu Mailand im Jahre 1665 sprach sich im gleichen Sinne aus.
Hören wir, was die Modernen sagen.
Dr. F. S. Hügel sagt: "Die fortschreitende Zivilisation wird die Prostitution allmählich in gefälligere Formen hüllen, aber nur mit dem Untergang der Welt wird sie vom Erdball vertilgt werden können" . Das ist eine kühne Behauptung, aber wer nicht über die bürgerliche Form der Gesellschaft hinausdenken kann, nicht anerkennt, daß sich die Gesellschaft umwandeln wird, um zu gesunden und natürlichen Zuständen zu kommen, muß Dr. Hügel zustimmen.
Ähnlich äußert sich der berühmte Hygieniker M. Rubner, Professor an der Berliner Universität und Direktor des Hygienischen Instituts: "Die Prostitution beim Weibe hat zu allen Zeiten und bei allen Völkern der Erde bestanden, sie ist etwas Unzerstörbares, weil sie dem Geschlechtsverkehr dient, aus der Natur des Menschen sich ableitet und weil der Trieb zur Prostitution in vielen Fällen sozusagen auf angeborene Fehler mancher Frauen zurückzuführen ist. Gerade wie in einer Bevölkerung das Genie und der Blödsinn, das Riesen- und Zwergwachstum und andere Abweichungen von dem allgemeinen Mittel, dem gewöhnlichen, vertreten zu sein pflegen, ebenso treten durch das Spiel der Geburt auch jene Abnormitäten zutage, welche zur Prostitution führen müssen" .
Keinem der Genannten kommt der Gedanke, daß durch eine andere gesellschaftliche Ordnung die Ursachen für die Prostitution verschwinden könnten, keiner versucht, die Ursachen derselben zu untersuchen. Wohl dämmert diesem und jenem, der sich mit dieser Frage beschäftigt, daß die traurigen sozialen Zustände, unter denen zahlreiche Frauen leiden, die Hauptursache sein möchten, warum so viele ihren Leib verkaufen, aber dieser Gedanke ringt sich nicht zu der Konsequenz durch, daß alsdann notwendig sei, andere soziale Zustände zu schaffen. Zu den wenigen, die erkennen, daß die Hauptursache der Prostitution die wirtschaftlichen Verhältnisse sind, gehört Th. Bade : "Die Ursachen der bodenlosen moralischen Versunkenheit, aus der das prostituierte Mädchen hervorgeht, liegen in den dermaligen sozialen Zuständen.... Es ist namentlich die bürgerliche Auflösung der Mittelklassen und ihrer Existenz, insbesondere des Handwerkerstandes , der heute nur noch zu einem kleinen Bruchteil eine selbständige, gewerbsmäßige Arbeit betreibt." Bade schließt seine Betrachtungen damit, daß er sagt: "Die Not der materiellen Existenz, welche die Familien der Mittelklasse teils schon aufgerieben hat, teils noch aufreiben wird, führt auch zur moralischen Zerrüttung der Familie und im besonderen zu der des weiblichen Geschlechts" .
Aber die Prostitution ist nicht nur eine von der Natur geschaffene Institution, die, wie sich R. Schmölder ausdrückt, "nach menschlichem Ermessen ein steter Begleiter der Menschheit bleiben wird " Sie ist auch eine soziale Institution, ohne welche die bürgerliche Gesellschaft undenkbar wäre.
Der Leipziger Polizeiarzt Dr. J. Kühn sagt: "Die Prostitution ist nicht bloß ein zu duldendes, sondern ein notwendiges Übel , denn sie schützt die Weiber vor Untreue (die nur die Männer zu begehen ein Recht haben. D. Verf.) und die Tugend (natürlich die weibliche, die Männer bedürfen derselben nicht. D. Verf.) vor Angriffen (sic!) und somit vor dem Falle" . Diese Worte charakterisieren in der unverhülltesten Form den krassen Egoismus der Männerwelt. Kühn nimmt den korrekten Standpunkt eines Polizeiarztes ein, der die Aufgabe hat, durch Überwachung der Prostitution die Männerwelt vor unangenehmen Krankheiten zu retten. Man denkt nur an den Mann, dem das zölibatäre Leben ein Greuel und eine Marter ist; aber die Millionen zölibatärer Frauen haben sich zu bescheiden. Was bei den Männern Recht ist, ist bei den Frauen Unrecht, Unmoralität und Verbrechen.
Ein anderer interessanter Herr ist Dr. Fock, der die Prostitution als "ein notwendiges Korrelat unserer zivilisierten Einrichtungen" betrachtet . Er fürchtet Überproduktion an Menschen, wenn nach Erlangung der Zeugungsfähigkeit alle heirateten, und darum hält er für wichtig, die Prostitution staatlich zu
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