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Die Frau und der Sozialismus: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Die Frau und der Sozialismus: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Titel: Die Frau und der Sozialismus: Erweiterte Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: August Bebel
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"regulieren". Er findet es gerechtfertigt, daß der Staat die Prostitution regelt und überwacht und die Sorge für Lieferung syphilisfreier Dirnen an die Männer übernimmt. Er erklärt sich für schärfste Überwachung aller Frauenzimmer, denen ein liederlicher Lebenswandel nachgewiesen wird. Auch dann, wenn die Damen mit "liederlichem Lebenswandel" den vornehmen Klassen angehören? Es ist das alte Lied. Dr. Fock verlangt auch die Besteuerung der Prostituierten und die Konzentration der Prostituierten in bestimmten Straßen . Mit anderen Worten, der christliche Staat soll sich aus der Prostitution eine Geldeinnahme schaffen, indem er zum Besten der Männerwelt die Prostitution staatlich organisiert und schützt. Wie sagte Kaiser Vespasian in einem ähnlichen Falle? Non olet! (Es riecht nicht.) Einen eigenartigen Standpunkt nimmt ein Dr. Heinrich Severus ein, der sich ebenfalls für die gesetzliche Anerkennung der Prostitution erklärt. Er sieht eben in dieser eine sehr nützliche Einrichtung, weil sie eine notwendige Begleiterscheinung der Ehe sei, ohne welche die Freiheit der Entschließung zur Ehe verkümmert würde. Die Prostitution ist ihm zufolge eine Art Sicherheitsventil für die bürgerliche Gesellschaft. Er behauptet: "Ein großer Teil der Not, deren Vorhandensein heute so mißliche soziale Zustände schafft, ist darauf zurückzuführen, daß Ehen unüberlegt, ohne Prüfung der Frage, woher der nötige Lebensunterhalt beschafft werden soll, geschlossen worden sind. Der Staat hat ein Interesse daran, daß derartige Ehen nicht zustande kommen, denn die daraus hervorgehenden Kinder, für deren Unterhalt von den Eltern nicht genügend gesorgt werden kann, die aber als eheliche auch nicht ins Findelhaus gehören, bedrohen die Sicherheit der Gesellschaft ." Die Prostitution verhüte aber, daß "unter dem Zwange des Naturgesetzes Ehen geschlossen werden, die zu einer Vermehrung des Volkes um Elemente führen, deren aus Not unterbliebene Erziehung und aus einer freudlosen Jugend entspringende staatsfeindliche Gesinnung sie zu Gegnern der Gesellschaft macht". Damit wäre also in der staatlich regulierten Prostitution sogar ein Heil- und Schutzmittel gegen die Sozialdemokratie gefunden, eine Ansicht, die wenigstens Originalität beanspruchen kann.
     
    Also! es bleibt dabei: Die Prostitution ist eine notwendige soziale Institution der bürgerlichen Welt, ebenso wie Polizei, stehendes Heer, Kirche und Unternehmerschaft!
     
2. Die Prostitution und der Staat
 
    Im Deutschen Reiche ist die Prostitution nicht wie in Frankreich staatlich organisiert und überwacht, sondern nur geduldet. Die offiziellen öffentlichen Häuser sind von Gesetzes wegen verboten und die Kuppelei wird mit schwerer Strafe bedroht. Das verhinderte aber bisher nicht, daß in einer großen Anzahl deutscher Städte, unter anderem in Mainz, Magdeburg, Altona, Kiel, Nürnberg, Worms, Freiburg i. Br., Leipzig, Regensburg, Hamburg, Augsburg, Würzburg usw., nach wie vor öffentliche Häuser bestehen, welche die Polizei duldet . Ein kaum faßbarer Zustand, dessen Widerspruch mit dem Gesetz unseren Staatenlenkern wohl bekannt ist. Das deutsche Strafgesetz bedroht auch die Gewährung von Wohnung an eine Prostituierte mit Strafe. Andererseits aber sieht sich die Polizei gezwungen, Tausende von Frauen als Prostituierte zu dulden und sie in ihrem Gewerbe zu schützen, sobald sich dieselben in die Polizeiregister als Prostituierte eintragen lassen und sich den für die Prostituierten vorgeschriebenen Regeln – zum Beispiel der periodisch wiederkehrenden Untersuchung durch einen Arzt usw. – unterwerfen. Konzessioniert aber der Staat Prostituierte und unterstützt er damit die Ausübung ihres Gewerbes, so müssen sie auch eine Wohnung haben; ja, es liegt sogar im Interesse der öffentlichen Gesundheit und Ordnung, daß sie eine solche besitzen, in der sie ihr Gewerbe ausüben können. Welche Widersprüche! Auf der einen Seite erkennt der Staat offiziell an: die Prostitution ist notwendig, auf der anderen verfolgt und bestraft er die Prostituierten und die Kuppelei. Außerdem bestätigt diese Haltung des Staates, daß die Prostitution für die moderne Gesellschaft eine Sphinx ist, deren Rätsel sie nicht lösen kann. Die herrschende Religion und Moral verurteilen die Prostitution, die Gesetze bestrafen ihre Begünstigung, und doch duldet und schützt sie der Staat. Mit anderen Worten, unsere mit ihrer Sittlichkeit, ihrer Religiosität, ihrer Zivilisation

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