DIE FRAUEN DER DIKTATOREN
verheiratet waren. Ich fragte sie, weshalb sie verheiratet seien. Alle antworteten mir, sie bräuchten den Partner, damit er ihnen Tee macht, kocht, die Schweine aufzieht und so weiter … Also fragte ich sie, ob es nicht einfacher wäre, einen Dienstboten einzustellen … Man antwortete mir, man müsse doch eine Familie gründen. All das verwirrte mich zutiefst. Und auch heute noch, wenn man so betrachtet, was die Gesellschaft zur Ehe zu sagen hat, findet man nichts, was mit Liebe zu tun hätte.“ [3]
Ein recht romantischer Mao also, der sich bemüht, der Liebe den ihr gebührenden Platz in der neuen chinesischen Gesellschaft einzuräumen. Prosaischer ausgedrückt meint er, die Ehe sei „nur zur Befriedigung fleischlicher Gelüste gut“. Was diese angeht, räumt er allerdings ein, dass „das Verlangen nach Nahrung und Sex grundlegend“ sei.
Kaihuis Abweisung schmeichelt ihm nicht gerade. Beharrlich wirbt er um die Widerstrebende. Er schreibt ihr unzählige Liebesbriefe. Doch die Kraft seiner Worte reicht nicht aus, um sie von seinen Gefühlen zu überzeugen. Im Januar 1920 allerdings ereignet sich das erste Drama im Leben des wählerischen Mädchens: Ihr Vater stirbt. Zu jener Zeit lebt Mao wieder in Peking und verbringt viel Zeit bei der Familie Yang. Der Verlust des geliebten Vaters lässt Kaihui in ein tiefes Loch fallen. Und Mao ist zur Stelle, um sie aufzufangen. „Allerdings hatte ich nicht erwartet, solches Glück zu haben. Ich hatte einen Mann, den ich liebte. […] Ich hatte mich in ihn verliebt, nachdem ich viel über ihn gehört und viele seiner Artikel und Aufzeichnungen gelesen hatte … Ich liebte ihn, zeigte es aber nicht. Ich war überzeugt, dass die Liebe in der Hand der Natur lag und man sie nicht vermessen, verlangen oder nach ihr suchen sollte …“. [4]
Liegt es am traumatischen Verlust des Vaters? Kaihui hat ebenso viel Angst, verlassen zu werden, wie sich auf etwas einzulassen. „Hätte nicht einer seiner Freunde mir seine Gefühle für mich enthüllt und mir gesagt, dass er meinetwegen sehr unglücklich sei, hätte ich sicher nie geheiratet.“ Glück, vermischt mit Schuldgefühlen, treibt sie um. Am Ende aber gibt sie nach. „Ich sagte mir, dass ich ja nicht nur für meine Mutter lebte, sondern auch für ihn … ich stellte mir vor, er könnte sterben […] ich würde ihm sofort nachfolgen und mit ihm dahingehen wollen!“
Im selben Jahr noch wurden Mao und Kaihui ein Paar. Dieser Held, dieser Rebell trat gerade zur rechten Zeit in ihr Leben. Er ist es, auf den sie gewartet hat, er ist ihre GROSSE LIEBE. Also zieht Kaihui zu Mao. Ende 1920 heiraten sie. Da sie nun kein unverheiratetes Fräulein mehr ist, darf sie nicht mehr unterrichten [5] .
Doch die Idylle bröckelt bald. Mao führt seine alten Liebschaften weiter und nimmt sich sogar neue Gespielinnen. Darunter die Cousine seiner Frau. Als die sanftmütige, grazile Kaihui davon erfährt, schlägt sie der Rivalin aufgebracht ins Gesicht. Kaihui ist nicht die typische, traditionell geprägte Ehefrau, die die Eskapaden ihres Mannes klaglos duldet. Sie ist eine echte Feministin: Frauen haben die gleichen Rechte wie Männer. Warum sollten sie ohne zu murren die Launen ihrer Gefährten ertragen? „Meine Schwestern!“, schreibt sie. „Wir müssen für die Gleichheit von Mann und Frau kämpfen und dürfen auf keinen Fall zulassen, dass man uns wie schmückendes Beiwerk behandelt.“ [6] Wie enttäuscht musste sie gewesen sein, als sie Maos Betrug entdeckte! Beide erwähnten den Vorfall später nicht mehr. Aber Kaihui hörte auf, Mao Szenen zu machen.
Die Befreiung der Frau stand noch nicht auf dem Programm. Und im Hause Mao verläuft der Alltag ganz nach hergebrachtem Muster. Kaihui bleibt zu Hause und kümmert sich um die Kinder, während Mao auszieht und versucht, die Menschenmassen zum Kommunismus zu bekehren. Anying, ihr erster Sohn, wird im Oktober 1922 geboren. Anqing, der zweite, im November 1923. Anlong ist der letzte, er kommt 1927 zur Welt. Doch im Laufe der Jahre bricht die Familie mehr und mehr auseinander. Maos politische Karriere ist eine herrschsüchtige Geliebte, da muss Kaihui einfach zurückstehen.
Oktober 1928. Mittlerweile ist Mao seit einem Jahr weg. Kaihui fasst ihre Sehnsucht in ein Gedicht:
Niedergeschlagener Tag, ein Nordwind erhebt sich,
Starker Frost dringt in Fleisch und Knochen.
Beim Gedanken an den Mann, der weit entfernt ist,
Wirbeln plötzlich Wellen aus der Ruhe.
Ist der schmerzende
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