DIE FRAUEN DER DIKTATOREN
mit ihr geschlafen und sie geschwängert.“
6
Mao – der Tiger der Damenwelt
Der Beitrag des Mannes zur Geschichte beschränkt sich auf einen Tropfen Samenflüssigkeit.
Jiang Qing
Die kopflose Frau
Eine weitere schlaflose Nacht.
Ich halte das jetzt nicht mehr aus. Ich gehe zu ihm.
Meine Kinder, meine armen Kinder, halten mich hier.
Eine schwere Last liegt auf meinem Herzen, die eine Seite gehört ihm, die andere meinen Kindern. Ich kann sie beide nicht im Stich lassen.
Ich will weinen. Ich möchte wirklich weinen.
Egal, wie sehr ich es versuche, ich kann einfach nicht aufhören, ihn zu lieben. Ich kann einfach nicht …
Die Gefühle eines Menschen sind wirklich seltsam. San Chun-he liebt mich so sehr, und ich würdige ihn nicht einmal eines Blickes. Wie ich ihn liebe! Himmel, gib mir eine vollkommene Antwort. [1]
Am Morgen des 28. Januar 1930 in Changsha. Yang Kaihui sehnt sich nach dem Mann, den sie so sehr liebt – ihrem Mann, einem jungen Guerillakämpfer aus der Provinz Hunan mit Namen Mao Zedong. Mehr als drei Jahre wartet sie nun schon auf ihn. So lange ist es her, dass er sie verlassen hat, um gegen General Chiang Kai-shek und seine Kuomintang zu Felde zu ziehen, jene Partei, mit der der General versuchte, die Macht in China zu übernehmen. Chiang stand dem Sowjetregime nahe und hatte bei einer Studienreise nach Russland die Führer der Komintern kennengelernt und die Militärakademien des Landes inspiziert. Dies machte ihn zum Feind eines Kommunismus chinesischer Prägung, wie er Mao vorschwebte. Und so stellte Mao sich mit einer Schar von Revolutionären, Arbeitern und Bauern Chiang Kai-shek entgegen. Der Zusammenstoß verlief blutig, Mao wurde besiegt und beschloss, sich in die Berge von Jiangxi zurückzuziehen. „Bleib hier“, hatte er ihr gesagt. „Das ist besser für dich und die Kinder.“ Sie gehorchte ihm nur widerstrebend.
Hier – das war ein Viertel in Changsha, das man „Klarer Teich“ nannte. Dort gründeten Mao und Yang Kaihui im Oktober 1921 einen eigenen Hausstand. Damals ist er achtundzwanzig Jahre alt, sie zwanzig. Es ist eine schöne Gegend, die ihren Namen einem hübschen Süßwasserteich verdankt, in den von überallher Schlamm strömt, ohne dass sich das Wasser je trübt. Ihr Haus schmiegt sich an einen kleinen Hügel, ein Gebäude im traditionellen Stil mit Balken aus dunklem Holz und Mauern aus bunten Ziegelsteinen. Davor liegt ein Gemüseacker. Kaihui liebt das einfache Leben. Sie haben sogar genug Geld, um sich Bedienstete leisten zu können. Der Gipfel des Glücks.
Kaihui kam 1901 in der Provinz Hunan zur Welt. Sie ist ein zartes, sensibles Kind. Ihre Mutter stammt aus einer bescheidenen, aber kultivierten Familie. Sie gibt der Tochter ihre Kenntnisse der literarischen Klassiker Chinas weiter. In den ersten elf Jahren ihres Lebens ist ihr Vater ständig unterwegs. Er reist nach Japan, Großbritannien, Deutschland, um seine Philosophiekenntnisse zu vertiefen. 1918 wird er zum Professor für Ethik an der Universität Peking ernannt. Ihr kluger Vater lädt eines Abends einen seiner besten Studenten zum Essen ein. Mao Zedong versucht gerade vergeblich, in der Hauptstadt Fuß zu fassen. Kaihui ist zu der Zeit siebzehn, acht Jahre jünger als Mao, der sofort versucht, das Mädchen zu verführen. Sie träumt von der großen Liebe jenseits von Ehe und anderen Begrenzungen. „Ich dachte auch, wenn man bewusst die Liebe suche, würde man ganz leicht und unvermeidlich die wahre, heilige, unglaubliche, höchste, schönste und unübertreffliche Liebe verlieren.“ [2] Doch Maos Avancen empfindet sie als zu direkt, zu roh, und so weist sie ihn ab. Sie hat sich eine Devise gesetzt, nach der sie künftig ihr Leben führen will: „Lieber gar nichts, wenn es nicht vollkommen ist.“ Und Mao Zedong ist keineswegs der vollkommene Liebhaber, den sie sich vorstellt.
Doch stehen die beiden sich in vielen Dingen näher, als sie zunächst glaubt: Auch Mao lehnt die Institution der Ehe ab. 1918, also zu der Zeit, da er die „Studiengesellschaft für den neuen Menschen“ gründet, schwört er, nie zu heiraten, da die Ehe ein unmenschliches System der Ausbeutung sei. Die Mitglieder seiner Studiengesellschaft lehnten die herrschende Auffassung von Liebe ab, die sie als etwas Nebensächliches betrachteten. Im Jahr darauf erklärt der junge Mao die Gründe für seine ablehnende Haltung: „Als ich jung war (er war damals sechsundzwanzig), habe ich viele Leute getroffen, die
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