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DIE FRAUEN DER DIKTATOREN

DIE FRAUEN DER DIKTATOREN

Titel: DIE FRAUEN DER DIKTATOREN Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diane Ducret
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Krankenschwester die Verwundeten mit den Mitteln, die ihr zur Verfügung stehen. Dass sie ihren Leuten helfen kann, trägt dazu bei, ihr Leid zu lindern. Doch die gute Stimmung hält nicht lange an. Mitte April erscheinen drei Flugzeuge der Kuomintang am Himmel. Maschinengewehrsalven zerfetzen die Stille. Zizhen hilft einem Offizier, sich vor dem Kugelhagel in Sicherheit zu bringen. Eine Minute später liegt sie in ihrem eigenen Blut auf der Erde. Mehr als ein Dutzend Granatsplitter stecken in Schädel und Rücken der Hilfskrankenschwester. Einer der mitmarschierenden Ärzte schafft es, die meisten davon mit einer Pinzette herauszuholen. Nun muss nur noch die Blutung gestillt werden. Mao erhält sofort Bescheid, doch er fühlt sich erschöpft und besucht sie nicht einmal. Fürsorglich wie er nun einmal ist, schickt er wenigstens seinen Leibarzt und zwei seiner Träger zu seiner Frau. Zizhen soll evakuiert werden. Irgendwie begreift er anscheinend doch noch, wie schlimm es um sie steht, denn drei Tage später besucht er sie persönlich. Sie hat das Bewusstsein wiedererlangt, kann aber noch nicht sprechen. Doch Zizhen ist zäh. Sie überlebt, obwohl einige der Granatsplitter – einer davon im Kopf – nicht entfernt werden konnten. Wochenlang schwebt sie zwischen Leben und Tod. Der Weitermarsch lässt ihre Tapferkeit legendär werden: Der Schmerz ist so groß, dass sie immer wieder in Ohnmacht fällt, doch lässt eben dieser Schmerz sie kurz darauf auch wieder aus ihrer Ohnmacht erwachen. Sie fleht um einen gnädigen Tod. Am Ende des Langen Marsches im Oktober 1935 ist He Zizhen, Märtyrerin für das große Ziel, zur Ersten Dame der Revolution geworden. Ihre Leiden werden Stoff für Sagen und Legenden.
    1937 erhebt das Leben wieder Anspruch auf Zizhens geschundenen Körper. Sie ist erneut schwanger. Nun ist es wirklich zu viel! Mit achtundzwanzig Jahren will sie nicht länger die Kinder eines Mannes austragen, mit dem sie nichts mehr gemein hat, eines Mannes, der sie sterbend am Straßenrand liegen lassen hat. Nur wohin? Nach einigen Monaten des Nachdenkens weiß Zizhen, was sie tun wird: Auf der Straße hätte sie beinahe ihr Leben gelassen, auf der Straße wird sie es wiederfinden. Sie sagt Mao, dass sie ihn verlassen wird. Anfang August macht sie ihre Ankündigung wahr. Als wolle sie zwischen ihn und sich eine sichere Distanz legen, um nicht etwa schwach zu werden und umzukehren, macht Zizhen sich auf nach Urumqi, das 1600 Kilometer weiter östlich liegt. Mao ist nicht bereit, ihre Entscheidung tatenlos hinzunehmen, doch aufhalten wird er sie nicht. Kein Wort. Später lässt er ihr von seiner Leibwache ein traditionelles Holzkästchen mit Schönheitsmitteln überbringen, dazu noch ein Obstmesser und andere Dinge, an denen ihr Herz einst hing. Sehnsucht und Reue sind probate Waffen, wenn es darum geht, eine Frau umzustimmen.
    Sie aber setzt ihre Reise fort und kehrt nicht um. Sie ist ja auch nicht allein, sie trägt ein Kind. Der lange Marsch Zizhens führt sie in die Sowjetunion, wo ihre Granatsplitterverletzungen behandelt werden können. Doch ihr Aufenthalt in Moskau bringt keineswegs die ersehnte Wiedergeburt, sondern den Absturz in tiefste Verzweiflung. Der kleine Junge, den sie kurz nach ihrer Ankunft dort zur Welt bringt, ist seinem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten. Zizhen schreibt Mao, um ihm dies mitzuteilen. Er antwortet nicht. Das Kind stirbt bald an Lungenentzündung. Es erlebt nicht einmal seinen ersten Geburtstag.
    Der Todesstoß aber erfolgt von der Hand des Geliebten. In Moskau hat Zizhen sich einer Gruppe chinesischer Einwanderer angeschlossen. Da sie kein Russisch spricht, lässt sie sich bei den Treffen regelmäßig aus den Moskauer Zeitungen die Berichte über China vorlesen. Eines Tages übersetzt man ihr einen Artikel aus der Feder des russischen Regisseurs Roman Karmen, der von seiner Begegnung mit Mao berichtet. Karmen erzählt, Mao und „seine Frau“ hätten ihn im Mondlicht nach Hause begleitet. Seine Frau?! Bei diesen Worten zerbricht etwas in Zizhen. Nun steht sie dort, wo einst Kaihui stand …
    Sie verliert ihren Elan, ihren Appetit und ihren gesunden Schlaf. Ein Lichtblick aber bleibt ihr noch: Vielleicht kommt Mao ja eines Tages doch noch zur Vernunft? Doch ein kurzer Brief ihres Mannes vernichtet auch diese Hoffnung. Nach baldigem Wiedersehen klingen diese Zeilen jedenfalls nicht. Vielmehr teilt er ihr mit einem einzigen Satz mit, dass die Ehe zwischen ihnen aufgelöst

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