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DIE FRAUEN DER DIKTATOREN

DIE FRAUEN DER DIKTATOREN

Titel: DIE FRAUEN DER DIKTATOREN Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diane Ducret
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[einen anderen Angeklagten] an. Der krepiert ja vor Angst. Ich hingegen …“
    Nur ihre immer noch feinen Gesichtszüge verraten ihre wahren Gefühle. Sie hat die große Brille abgelegt, die sie seit den Sechzigerjahren trägt. Vielleicht um den Blick nicht auf die Warzen zu lenken, die ihre Nasenspitze zieren.
    Der Höhepunkt des Schauprozesses: die Anklage wegen Mordversuchs an Präsident Mao Zedong.
    Jiang Qing wird im März 1914 als Luan Shumeng in Zhucheng in der ländlichen Provinz Shandong geboren. Ihr Vater Li Dewen stellt Wagenräder her. Er ist Alkoholiker und neigt zur Grausamkeit. Seine Hauptbeschäftigung ist es, Shumengs Mutter, die nicht seine Hauptfrau ist, zu verprügeln. Diese wiederum lässt ihre Wut an der Tochter aus und schlägt sie ebenso häufig. Maos künftiger Frau wurden die Füße gebrochen, sie trägt die traditionellen Bandagen. Das soll heißen, dass sie nicht zur Arbeit auf dem Feld, sondern zur Ehe geboren ist. Wir dürfen wohl annehmen, dass ihre Kindheit die Hölle auf Erden war. Doch Shumeng sollte sich diese Behandlung nicht ewig gefallen lassen. In der Schule machte sich ihr rebellischer Geist immer stärker bemerkbar. Schließlich legte sie ihre Bandagen ab. Dies trug ihr den Spitznamen „Befreite Füße“ [17] ein. Doch die Bandagen hatten tiefe Narben auf ihren Füßen hinterlassen. Sie würde für immer hinken.
    1921 flüchten Mutter und Tochter zum Großvater nach Jinan. Shumeng nimmt einen neuen Namen an, sie wird „Yunhe“, der „Kranich in den Wolken“. Die Mutter aber entscheidet sich, kaum ist sie den Prügeln ihres Konkubinats entkommen, für eine neue Beziehung. 1928 verlässt sie den vierzehn Jahre jungen und völlig mittellosen Kranich. Ihre Härte, ihr Kampfgeist, der sich unter den Schlägen ihrer Mutter entwickelte, sowie der feste Wille, nie mehr wieder die Erniedrigungen zu erdulden, die eine Geburt als uneheliches Kind mit sich bringt, verleihen ihr bald ein ungewöhnliches Charisma. Diese beinahe magnetische Anziehungskraft wird ihr in dem von ihr gewählten Beruf nützlich sein: Sie wird Schauspielerin.
    Sie hat strahlende, große Augen und eine für ihre vierzehn Jahre recht volle Büste. Man könnte sie leicht für achtzehn halten. Obwohl sie nur 1,64 Meter misst, füllt die grazile Person mühelos den Raum. Ihre geschmeidige Art, sich zu bewegen, ihre zarten Hände mit den feinen Fingern, die jede Geste vollenden, verleihen ihr eine ungewöhnliche Weichheit.
    Sie verfügt zwar nicht über Bildung, dafür aber über ein gut geöltes Mundwerk. Wenn sie ihren Hochmut zügelt, kann sie sogar nett wirken. Ihr grenzenloses Vertrauen in ihre Verführungskünste, die ihre gnadenlose Wut auf die ganze Welt notdürftig kaschieren, lässt sie arrogant und eitel, gleichzeitig aber auch sehr zerbrechlich wirken.
    Die Verlobte, die Schauspielerin und der Zuhälter
    Mit fünfzehn Jahren klopft sie ans Tor der Akademie für Bühnenkunst in Jinan. Wie viele Frauen im Süden des Landes, trägt sie das Haar lang. Und wie der Zufall es will, fehlt der Truppe gerade ein langhaariges Mädchen, das die Rolle des Dienstmädchens spielen kann. Der Direktor findet das Mädchen mit dem kecken Blick so reizvoll, dass er es vom Fleck weg engagiert. Kaum hat Yunhe eine sichere Anstellung, schneidet das Mädchen, das in der Provokation sein Lebenselixier sieht, sich die Haare ab! Die „Nouvelle Vague“ Jinans erreicht auch sie. Sie will zeigen, dass sie tatsächlich eine Künstlerin ist – wie die Männer – und nicht nur eine willige Kreatur.
    Unglücklicherweise schließt die Akademie ihre Pforten zwei Jahre nach der Aufnahme des Mädchens. Das Geld ist aus. Yunhe muss sich neu orientieren. Da sie außer ihrer Persönlichkeit keine Talente besitzt, die sie nutzen könnte, beschließt sie zu heiraten. Sie ehelicht einen Kaufmann aus Jinan. Doch die Verbindung dauert nur wenige Jahre.
    Und wieder ist sie allein und mittellos. Das Einzige, worauf sie zählen kann, ist ihr Wille, berühmt zu werden. Doch der ehemalige Direktor der Akademie in Jinan ist mittlerweile nach Qingdao gezogen, den großen Hafen von Shandong, und dort Dekan der Universität geworden. Wieder klopft Yunhe an seine Tür. Und ihr Wohltäter gibt ihr tatsächlich einen kleinen Job an der Universitätsbibliothek. Dort lernt sie Yu Qiwei kennen, der für die Untergrundpropaganda der kommunistischen Partei zuständig ist. Sollte der Königsweg zur Macht vielleicht nicht im Rampenlicht des Theaters liegen,

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