DIE FRAUEN DER DIKTATOREN
ebenso kostspielig wie extravagant. Sie fotografiert gern und will Aufnahmen vom Meer machen. Also befiehlt sie einigen Kriegsschiffen, vor der Küste zu kreuzen, damit sie ein interessantes Motiv hat. Ihr Swimmingpool in Kanton muss ständig geheizt werden, auch wenn man das Wasser kilometerweit durch spezielle Rohre pumpen muss. Als Kanton von einer Frostwelle heimgesucht wird, müssen die Angestellten, die ihre Kohlebecken schüren, sich unter die Fensterbank ducken, wenn sie an ihrem Salon vorübergehen. Madame möchte in ihrer kostbaren Ruhe nicht gestört werden. In unmittelbarer Nähe zu ihrer Villa befand sich seinerzeit eine Baustelle. Der Offizier, der die Bauarbeiten überwacht, erhält den Befehl, auf jede Art von Sprengung zu verzichten. Die Detonationen könnten sie ja erschrecken. Und so werden sämtliche Erdarbeiten mit der Hacke erledigt. Außerdem haben ihr auf Verlangen Flugzeuge zur Verfügung zu stehen. Schließlich gibt es Notfälle: Einmal braucht sie sofort ihre Weste, die sie in Peking vergessen hat. „Damit ich mich richtig ausruhen und vergnügen kann, muss ich natürlich die Interessen anderer Menschen hintanstellen.“
Doch jenseits aller Capricen weiß Jiang sehr wohl, wie sie einen Mann wie Mao zu verführen hat. Sogar in der kommunistischen Einheitskluft versteht sie es, sich herauszuputzen: Sie trägt einen Gürtel, um ihre schmale Taille zu betonen, oder rückt keck ihr Käppi schräg, damit die dunkle Masse ihres Haares hervorlugt.
Und der Zauber verfliegt nicht. Jahre nach ihrer ersten Begegnung widmet Mao ihr ein Gedicht voll erotischer Anspielungen:
Winde schütteln den großen Mast.
Unbewegt die Berge der Schildkröte und der Schlange.
Ein kühner Plan schlägt
eine Brücke von Nord nach Süd und eröffnet
einen gangbaren Weg über den tiefen Graben.
Im Westen erhebt sich ein Damm aus Steinen,
an dem die Wolken und der Regen vom Berge Wu sich brechen.
Ein See voll stillen Wassers wird in der Schlucht wachsen.
O Göttin vom Berge Wu, wenn Du noch dort weilst,
wirst Du Dich wundern, wie sehr die Welt sich verändert hat. [25]
Vielleicht verfolgt Jiang Qing ihre einstigen Rivalinnen ja auch deshalb so gnadenlos, weil sie dem, was in ihrer Beziehung zu Mao passiert, machtlos zusehen muss. Denn sie muss sich Mao mit unzähligen Rivalinnen teilen. Er hat nie aufgehört, die Damenwelt zu erobern. Lange Zeit hat Jiang Qing so getan, als merke sie nichts. Aber jedermann im Palast wusste Bescheid, und die Leute machen sich über sie lustig. Diese verdammten Krankenschwestern! Wenn sie nur ein oder zwei von denen zu fassen bekäme, dann würde sie schon dafür sorgen, dass ihnen die Lust vergeht …
Die Eifersucht
Die Nacht seines fünfundsechzigsten Geburtstages verbrachte Mao im Bett. Beim Bankett zu seinen Ehren ließ er sich von hochrangigen Partei- und Regierungsmitgliedern vertreten. Das zumindest erzählt sein Leibarzt.
„Er bat mich, ihm wie üblich später davon zu berichten. Bei dem Bankett brachte man Trinksprüche auf die Gesundheit des Vorsitzenden aus, die genauso extravagant waren wie das Essen. Ich war so betrunken, dass ich gleich nach dem Fest ins Bett ging, ohne wie gewöhnlich Bericht zu erstatten. Lin Yinqiao weckte mich mitten in der Nacht. Wir sollten sofort nach Beijing aufbrechen.“ [26]
Jiang Qing wacht mitten in der Nacht auf. Sie will ein Glas Wasser und eine weitere Schlaftablette. Da die Krankenschwester nicht auf ihr Läuten antwortet, steht sie auf und begibt sich ins Wachzimmer. Die Krankenschwester ist nicht da. Das bestätigt nur ihren Verdacht. Sie stürzt in Maos Schlafzimmer und findet die junge Frau in den Armen ihres Mannes.
Zum ersten Mal in ihrem Leben macht Jiang Qing ihrem Mann eine Szene. Außer sich vor Wut schreit sie ihm ihre Beschimpfungen ins Gesicht. Schließlich ist dies nicht die erste derartige Begebenheit. Und wie reagiert Mao auf den Wutanfall seiner Frau? Er reist augenblicklich nach Peking ab und lässt seine Frau sich in Kanton austoben.
Und tatsächlich sollte Jiang Qing ihre Unbeherrschtheit schon bald bereuen. Sie schickt ihm eine Karte mit einem Zitat aus Die Reise nach Westen , einem der bekanntesten klassisch chinesischen Epen: „Mein Körper ruht in der Grotte des Wasservorhangs, aber mein Herz folgt dir, wohin du auch gehen magst.“ [27] Mao ist entzückt, als er diese Worte seiner Frau liest. Ist er denn nicht der größte aller Helden, dessen Leben zum Epos des modernen China wurde?
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