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DIE FRAUEN DER DIKTATOREN

DIE FRAUEN DER DIKTATOREN

Titel: DIE FRAUEN DER DIKTATOREN Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diane Ducret
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geschrieben und ihn um die Adresse Tang Nas, ihres Ex-Ehemanns, gebeten, der mittlerweile in Paris lebte. Natürlich könnte solch ein Brief gravierende politische Konsequenzen haben, sollte er an die Öffentlichkeit gelangen. Von nun an jagt Jiang Qing diesem Brief hinterher. Sie lässt den Filmliebhaber nebst einigen Freunden verhaften. Die Wohnungen der Betroffenen werden auf den Kopf gestellt. Obwohl der Filmliebhaber immer wieder beteuerte, den Brief schon vor Jahren weggeworfen zu haben, stirbt er an den Folgen der Folter.
    Das Jahr 1966 wird das wohl bewegendste in Jiangs Leben werden. Man ernennt sie zur Kulturbeauftragten der Armee. Nun sind sechs Millionen „Kulturarbeiter“ in Oper, Tanz, Musik, Theater und Verlagen ihr unterstellt. In dieser Funktion wird sie sich künftig immer in Männeruniform zeigen. Nun kann sie endlich den anderen Parteifunktionären auf Augenhöhe gegenübertreten. Offensichtlich macht die Kutte doch den Mönch, denn in diesem Jahr erscheint sie, stolz wie ein Soldat, zu Komiteesitzungen immer wieder mit ihrer neuen Uniform. Nichts, was vor ihr war, darf weiter bestehen. Und so ordnet sie Hausdurchsuchungen bei Intellektuellen an zur Überprüfung, ob diese nicht Bücher des alten China im Schrank stehen haben. Jiang Qing inszeniert ihre höchstpersönliche Kulturrevolution, deren Zentralgestirn sie wird.
    An Maos Seite hebt sie nur leicht den Arm, um huldvoll die Ovationen der Millionen Menschen entgegenzunehmen, die für Mao stets „die Massen“, für sie aber „das Publikum“ sein werden. Das Bad in der Menge elektrisiert sie. Am 8. Juli verkündet Mao seiner Frau, er verspüre Lust, eine „gewaltige Unordnung unter dem Himmel“ zu veranstalten, um die neue Ordnung zu verankern. Sie sieht darin ein Fanal für einen Aufbruch zu neuen Ufern. Sie fordert die Jugend auf, sich gegen die alten Garden zu wenden und die Macht zu ergreifen. Die Kulturrevolution ist in vollem Gange.
    Im Laufe dieses langen, heißen Sommers verdrängt Mao Liu Shaoqi von der Macht. Er lässt ihn vom Volksrat verurteilen, der ihn als verdammenswerten Kapitalisten brandmarkt. Kaum hat Mao sich freie Bahn geschaffen, bietet er Jiang eine weit höhere Stellung an: Sie wird zur Stellvertretenden Vorsitzenden der Gruppe Kulturrevolution ernannt, des Staatsorgans, das die Fäden der Kulturrevolution zieht und damit zu einer Art Geheimregierung wird. Ein einzigartiger Aufstieg, denn nun sitzt sie Seite an Seite mit den Mitgliedern des Politbüros, die das Land regieren. Ihre Krankheiten, ihre Lethargie sind mit einem Mal wie weggeblasen.
    Jetzt, da sie offiziell und unwiderruflich an der Macht ist, kann sie endlich ihren privaten Rachegelüsten gegenüber Wang Guangmei frönen, jener Frau, die ihr die Stellung als Erste Dame des Staates weggenommen hat.
    Kaum ist Liu Shaoqi verurteilt, strömt eine Menge von 300.000 Leuten zusammen, um seine Frau Guangmei zu verhöhnen und zu demütigen. Die gebildete Frau spricht Französisch, Englisch und Russisch und hat einen Abschluss in Atomphysik an der Universität Peking gemacht.
    Sie hat sich auch unverzeihlicher Vergehen schuldig gemacht: Bei einem Staatsbesuch in Indonesien habe sie ein traditionelles chinesisches Gewand aus farbiger Seide getragen und sich benommen wie „Sukarnos Schlampe“. Doch damit nicht genug: Sie habe sogar gewagt, ein Collier zu tragen. Das Halsband der Königin! „Vor der Reise nach Indonesien kam sie zu mir. Damals war ich krank und lebte in Shanghai. Sie sagte mir, dass sie auf der Reise ein Collier und ein Blumenkleid tragen wolle. Ich sagte ihr, sie habe das Recht, mehrere Kleider mitzunehmen, und habe ihr das schwarze empfohlen. Gleichzeitig sagte ich ihr aber, dass sie als Mitglied der Kommunistischen Partei nicht das Recht habe, ein Collier zu tragen …“. [24]
    Das Frauenzimmer hatte also die Stirn, sie zu belügen, und ihr zu verschweigen, dass sie ein Collier nach Südostasien mitnehmen würde. Jiang glaubt, die ideale Strafe für ihre Nebenbuhlerin gefunden zu haben: Man muss dieses Kleid ausfindig machen und sie zwingen, es anzulegen. Sie hat sich eine Kopie der Filmaufnahmen besorgt, die Guangmei beim Staatsbesuch zeigen, also hat sie einen unwiderlegbaren Beweis gegen sie in der Hand. Der Film zeigt ohne jeden Zweifel, dass die Gattin des Staatschefs eines Abends ein Collier getragen hat. „Seht euch das an, die Frau hat ein Collier getragen! Sie hat mich angelogen!“, ruft sie in die Menge, die laut brüllend

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