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DIE FRAUEN DER DIKTATOREN

DIE FRAUEN DER DIKTATOREN

Titel: DIE FRAUEN DER DIKTATOREN Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diane Ducret
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ist klar: Sie muss in der Gunst des Volkes steigen.
    Der untersagte Aufstieg
    Zunächst einmal beginnt sie ihre Position zu nutzen, um die Theater in ihrem Sinne zu beeinflussen. Die Erstürmung des Tigerberges durch kluge Strategie ist ein Stück, das von der Kampagne der kommunistischen Armee gegen die Banditen in der Mandschurei von 1946 handelt. Das Stück wird für sie zum Versuchslabor. Schließlich ist sie eine große Schauspielerin, eine große Künstlerin! Sie wohnt der Aufführung bei, dann begibt sie sich hinter die Kulissen, um über den Schauspielern ihre vernichtende Kritik auszugießen. Sie wird sie in die wahre Kunst des Schauspiels einweihen. Zu Hause hört sie sich beim Essen Tonbandaufnahmen der einzelnen Aufführungen an. Danach stürzt sie mit ihren neuen Ideen ins Theater. Ideen, die – wie sie glaubt – genialer nicht sein könnten. „Der Hass“, verfügt sie, „ist die zentrale Vokabel des Stückes. Sie darf nicht einfach nur ausgesprochen, sondern muss in die Welt hinausgeschleudert werden wie eine Granate, die man auf das Lager des Feindes abfeuert. Außerdem sollten die Sätze nicht wie seit Jahrtausenden üblich durch Senken der Stimme beendet werden, vielmehr müsse die Tonhöhe am Ende des Satzes ansteigen wie bei einer Frage. Dann führt sie den Schauspielern vor, wie sie das Wort „Frühling“ aussprechen sollten, um dessen politische Kraft deutlich zu machen. Denn dieses Wort bezeichnet ihrer Ansicht nach den künftigen Sieg ihres Gatten, seinen Aufstieg zur höchsten Macht. Schließlich gibt sie noch der Hauptdarstellerin der Truppe einen ganz persönlichen Rat: „Vergiss nicht, dass die Schönheit weniger wichtig ist als der Wille und die Macht.“
    Nach diesen ihren Vorstellungen überarbeitet sie mehrere moderne Stücke. Doch leider sind die Schauspieler, Stückeschreiber und Regisseure davon alles andere als angetan. Weder erkennen sie ihr Talent an, noch setzen sie ihre Anweisungen um. Jiangs Stil, der ganz den Dreißigerjahren verhaftet ist, ist ihrer Ansicht nach zu altmodisch. Diese Hunde, sie wissen ihre hohe Kunst nicht zu schätzen! Die Techniker des Kinos wagen gar die offene Rebellion gegen ihre Eingriffe. Jiang Qing ist auf die glorreiche Idee gekommen, alle Filme in Rot oder anderen Farben kolorieren zu lassen. Dumm ist nur, dass man sie danach nicht mehr abspielen kann.
    Doch dergleichen kann den Blauen Apfel nicht von seinem Siegeszug abhalten. Ob ihnen das nun gefällt oder nicht, sie ist es nun, die in puncto Kunst und Theater im Land den Ton angibt. Die Zustimmung des Volkes? Nein, die hat Jiang Qing wahrlich nicht nötig.
    Überhaupt, warum sollte sie sich auf die Kunst beschränken? Wenn sie als Frau nicht in die höchsten Staatsämter aufsteigen darf, dann eben als Mann. Jiang wird künftig genau dasselbe tun wie Mao. Sie treibt die Nachahmung Maos auf die Spitze. Sie wiederholt seine Sätze und Äußerungen. „Studiere, um Menschen zu behandeln, keine Tiere“, sagt sie einem angehenden Tierarzt, wie Mao es tat, der wiederum einen Ausspruch Sun Yat-Sens, Gründer der Kuomintang und 1911 erster Präsident der Republik China, zitierte. Nach einem gewaltsamen Zwischenfall in der Provinz Sichuan tönt sie gleich ihrem Mann: „Ein bisschen Gewalt ist gut, und sei es nur zum Üben.“ [23]
    Sogar der Stil ihrer Kalligrafien verändert sich. Überwiegen vor 1960 graziöse Schwünge, zeigen sich später entschlossene, maskuline Striche. Doch damit ist Jiang Qings Wandlung noch nicht vollendet.
    Sie muss noch die Spuren ihrer skandalträchtigen Vergangenheit beseitigen, um endlich Erste Dame des Volkes werden zu können. Jiang Qing fürchtet, dass jemand ihren einstigen freizügigen Lebenswandel ans Licht zerren könnte oder – noch schlimmer – die Gefängnisakten der Nationalisten durchstöbern. Und so werden ihre früheren Kollegen, Freunde und Liebhaber aus dem Verkehr gezogen – eingesperrt oder ins Exil geschickt. Und nur wenige finden Gnade, solange sie noch lebt. In ihrem Bestreben, moralisch ihre Weste wieder reinzuwaschen, kennt sie kein Pardon: Im August 1966 haben die Krematorien in Peking Hochbetrieb.
    1966 – ein Jahr einschneidender Veränderungen
    Auch Freunde ihrer ehemaligen Liebhaber bleiben von ihrem Vernichtungsfeldzug nicht verschont. Im Jahr 1966 erinnert sich Jiang Qing fatalerweise plötzlich wieder an eine Episode, die sie völlig vergessen hatte. 1958 hatte sie nach einem heftigen Streit mit Mao an einen alten Freund

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