DIE FRAUEN DER DIKTATOREN
Uhr vor dem Telefon auf seinen Anruf zu warten. Und Mussolini nimmt dies sehr wörtlich.
„Ah, Sie sind da? Gut! Ich habe nur angerufen, um zu sehen, ob Sie wirklich jeden Tag auf meinen Anruf warten, wie Sie es sagten.“
„Ihr seht, dass ich da bin. Ich werde zwischen fünf und sechs Uhr nachmittags immer da sein. Warum habt Ihr mir nicht geglaubt?“
„Man darf niemandem glauben. Man weiß ja nie.“
„Schuft!“
„Ah! … Aber ich glaube, wir können uns diese Woche sehen.“
Am nächsten Tag sucht sie ihn im Palazzo Venezia auf. Nach einer unverbindlichen Begrüßung fragt er sie:
„Wie geht es deinem Verlobten?“
„Diese Dinge hängen ganz von Eurer Exzellenz ab.“
„Von mir? Nein! Du weißt, dass es unmöglich ist.“
Und doch ruft Benito Tag für Tag im Hause Petacci an. Allerdings tut er so, als bedeute die junge Frau ihm absolut gar nichts.
„Warum bist du gekommen? Das ist absurd. Sie machen sich lächerlich.“
„Aber Ihr habt es mir diese Woche versprochen. Und jetzt, nichts. Warum? Das ist Folter, wisst Ihr das?“
„Aber was willst du denn? Ich bin alt und du ein kleines Mädchen.“
„Und wenn ich verheiratet wäre?“
„Das wäre etwas anderes.“
„Dann heiratet mich doch!“, schreit sie ihn an. Sie glaubt, er wird ihren Verlust nicht hinnehmen. Weit gefehlt.
„Und jetzt weinen Sie! Wieso weinen Sie denn? Sie sind wirklich ein seltsames Mädchen. Warum weinst du denn? Was hast du bloß? Bist du etwa in mich verliebt? Ich weiß nicht. Du musst verrückt sein. Oder sehr dumm. […] Wenn ich jung wäre, wenn ich frei wäre […] Aber ich bin ein Sklave.“
Also heiratet Clara am 27. Juni 1934 ihren Verlobten, Riccardo Federici, und zwar in der Kirche San Marco, genau gegenüber dem Palazzo Venezia. Mussolini ist nicht zugegen, doch er beherrscht die Gedanken der jungen Ehefrau. Aber auch er hat die junge Schönheit, die er am Strand von Ostia kennengelernt hat, nicht vergessen. Doch so prächtig die Hochzeitsfeier auch ist, die Flitterwochen werden dafür umso bitterer. Clara und Riccardo verstehen sich nicht. Zwei Jahre später trennen sie sich. Kaum erfährt Mussolini davon, lässt er – im Oktober 1936 – auch schon Claras Mutter kommen. Er empfängt sie in der schlichten Uniform eines Gefreiten und stellt ihr eine förmliche Frage: „Signora, erlauben Sie, dass ich Ihre Tochter liebe?“ Er hat also seit seinem ersten Antrag, den er vor der Witwe Guidi vorbrachte, einiges dazugelernt, was potenzielle Schwiegermütter angeht.
Allerdings wartete er die Zustimmung der Mutter nicht ab, um intime Beziehungen zu der jungen Frau zu knüpfen. Einige Monate vorher, am 6. Mai 1936, eroberte Benito nicht nur Äthiopien. Er machte auch Clara zu seiner Mätresse.
Eine Schicksalsliebe
Die hypochondrische Claretta beginnt ihren Tag fast immer mit den gleichen Worten: „Mama! Was soll ich nur anziehen?“ [22] Wie immer bleibt sie lange im Bett, nimmt dann das Frühstück ein, bevor sie sich im eleganten Badezimmer zurechtmacht. Sie spart nicht an Rouge und Wimperntusche, macht sich sorgsam die Nägel und zerzaust sich anschließend gekonnt das Haar. Wenn sie dann für den ersten der zwölf Anrufe des „Duce“ bereit ist, zündet sie sich ihre erste Zigarette an und streckt sich, während sie auf sein Läuten wartet, gemütlich auf dem Sofa aus. Neben diesem steht auf einem Tischchen ein hübsches rosarotes Telefon mit überlanger Schnur, das nur für die Kommunikation mit „ihm“ genutzt wird. „Ihr Leben war ein einziges, langes Warten“, wird ihre Mutter einst über sie sagen. Zwischen Mussolini und Clara entsteht eine enge psychische und körperliche Bindung. Benito hat Clara im Palazzo Venezia das Appartamento Cybo eingerichtet, das einst Kardinal Cybo bewohnte. Das Deckengewölbe des „Tierkreis-Zimmers“ ist himmelblau bemalt und zeigt in Gold alle Zeichen des Zodiak.
Dort erwartet ihn Clara jeden Nachmittag pünktlich um 15 Uhr. Sie wird im Beiwagen eines roten Motorrades hierher gebracht, welches die Wachen „Motorrad der Liebe“ nennen. Dort bewahrt sie ihre Zeichnungen, ihre Schallplatten, ihre zahllosen Handspiegel auf. Sie hat ihre ganze kleine Welt in Benitos Alkoven verlegt. Und er kommt jeden Tag, um sieben, acht, manchmal auch erst um neun Uhr abends. Ihn verlangt nach ihr, und so lieben sie sich bis zum Einbruch der Nacht. „Ich konnte ihm die Sorgenfalten von der Stirn wischen, das war mein Trost.“ Doch das Vergnügen bleibt stets ein
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