DIE FRAUEN DER DIKTATOREN
enttäuscht, dass ihre Langzeitbeziehung zu Mussolini nicht endlich konkretere Formen annimmt. Und so hält sie sich an Rachele. Sie versucht, das Band zwischen Mann und Frau zu zerstören, indem sie Gerüchte in die Welt setzen lässt, Rachele sei die Halbschwester des „Duce“. Um den Klatsch noch anzuheizen, erzählt sie herum, sie habe Rachele sagen hören: „Die Bande der Ehe werden durch die des Blutes noch gestärkt.“
Jedenfalls wird die Ehe zwischen Rachele und Benito nicht von den väterlichen Gefühlen des „Duce“ zusammengehalten. Sie lebt mit den Kindern in Mailand, er ist gern gesehener Gast in den Palästen Roms. Seit Jahren zeigt Benito sich nur zu offiziellen Anlässen mit Rachele oder um sein Image als treusorgender Vater in den Augen der Öffentlichkeit zu stärken. In seinen Augen ist Rachele ein Weibchen, eine Gebärmaschine, mehr nicht.
Bei der Geburt ihres dritten Kindes verschärft sich der Ton zwischen den Ehegatten. Wütend, dass er bei der letzten Geburt nicht zugegen war, schnauzt Mussolini sie, als er das Haus verlässt, zornig an: „Ich hoffe, du nützt meine Abwesenheit nicht, um den Kleinen zur Welt zu bringen. Ich habe es langsam satt, immer der Letzte zu sein, der von der Geburt meiner Kinder erfährt.“ Am selben Abend überbringt man ihm in den Redaktionsräumen des Popolo d’Italia die Nachricht: Es ist ein Junge. Und Rachele geht es gut. Doch das sollte ihr nichts nützen, denn der künftige Führer Italiens springt in ein Taxi, fährt nach Hause, nimmt im Laufschritt die Treppen, und bevor er das Kind noch ansieht, faucht er sie an: „Ich hatte dir doch gesagt, du sollst warten. Warum hast du es nicht getan?“
Und es sollte noch schlimmer kommen. 1929, fast ein Jahrzehnt später, als ihr letztes gemeinsames Kind zur Welt kommen sollte, spielen die Ehegatten ein seltsames Spiel miteinander. Rachele will Benito spüren lassen, dass er nie da ist, dass sie ihre ganze Schwangerschaft allein hat bewältigen müssen. „Ich hatte ihm einen späteren Termin genannt.“ Und so entbindet Rachele ohne Ärztin und ohne Hebamme, ganz allein. Danach ruft sie Benito in Rom an:
„Sie ist da“, sagt sie ganz ruhig.
„Wer?“
„Die Kleine.“
„Welche Kleine?“
„Unsere Kleine. Such einen Namen für sie.“
Ein ausgesprochen herzlicher, ja zärtlicher Dialog unter Eheleuten. Rachele, die glaubt, es ihrem Mann diesmal heimgezahlt zu haben, erhält am nächsten Tag die Quittung: „Ich schlug die Zeitung auf und erfuhr, dass das Mädchen, das ich gerade geboren hatte, Annamaria hieß. Benito hatte mich seinerseits drangekriegt. Andererseits war ich ganz zufrieden: Annamaria war der Name meiner Mutter …“
Doch wir sollten uns von dieser letzten Aufmerksamkeit nicht täuschen lassen. Er interessiert sich keinen Deut für Rachele. Und sie weiß das: „Was die weiblichen Eroberungen meines Mannes betrifft, so war das mein persönliches Problem. Ich gebe zu, dass ich unter drei von ihnen sehr gelitten habe: Ida Dalser, Margherita Sarfatti und Clara Petacci.“ [20] Mittlerweile wissen wir, was aus den beiden ersten geworden ist. Während Benito Mussolini seinen langen Weg zur Macht beschritt, führte er ein Doppelleben: Da war einerseits seine Ehefrau, Rachele Guidi, andererseits Margherita Sarfatti, die schöne und intellektuelle Venezianerin. Doch bald sollte eine dritte Frau dazukommen, die das Gleichgewicht empfindlich störte.
Die Tochter des Meeres
Am 24. April 1932 setzt sich Benito ans Steuer seines Alfa-Romeo-Cabrios und fährt von Rom aus ans Meer. Etwa auf der Höhe von Ostia überholt ihn ein Lancia Imperia, der auf den Vatikan zugelassen ist. Er gehört der Familie Petacci. An Bord Claretta und ihr Verlobter, Riccardo Federici, die kleine Myriam und Mama Petacci. Mussolini trägt eine Sonnenbrille und einen Sportblouson, doch die Zwanzigjährige erkennt ihn trotzdem. „Das ist der Duce!“, ruft sie aufgeregt und schwenkt schwungvoll ihren Hut. Sie trägt dem Chauffeur auf, dem Wagen zu folgen. Es folgt ein beschwingtes Katz-und-Maus-Spiel, das Mussolini schließlich beendet, indem er in Ostia anhält. Das aufgeregte junge Mädchen interessiert ihn. Clara steigt mit weichen Knien aus: „Verzeiht mir, Duce, ich bin Clara Petacci. Und das ist mein Verlobter …“ Sie errötet. Er mustert sie eingehend. Die Natur hat die junge Frau reich beschenkt: rassige Kurven, klares Gesicht, melancholische Augen und – nicht zu vergessen – eine üppige Büste. Ihr
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