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DIE FRAUEN DER DIKTATOREN

DIE FRAUEN DER DIKTATOREN

Titel: DIE FRAUEN DER DIKTATOREN Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diane Ducret
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doch Clara klammert sich an ihren kleinen blau-goldenen Käfig.
    „Ich habe dir zwölf Jahre meines Lebens geopfert“, schreibt sie ihm am 1. April 1943 verbittert, nachdem er ihr am Telefon in eisigem Ton mitgeteilt hatte, dass er allein bleiben wolle. Clara begreift allmählich, dass ihr Schicksal, ihr Frühling, dem des Regimes gleicht und von dunklen Vorahnungen überschattet wird. Sie schreibt: „Du hast mich immer betrogen. Meine Liebe ist bleiern geworden, mein Leben erloschen … Ich frage mich: Wozu noch leben, wozu lieben?“ Am 1. Mai 1943, als Italien auch noch den letzten Zipfel Afrikas verliert, erteilt Benito seinem Hausmeister Quinto Navarra strikte Order: „Ich will diese Frau im Palazzo Venezia nicht mehr sehen.“ Er zerreißt all ihre Fotos.
    Clara schreibt an eine Freundin: „Er hat mit seiner Grausamkeit meine Gesundheit ruiniert.“ Am 20. Juli gelingt es Clara, in den Palazzo einzudringen und einen Brief zu hinterlassen, in dem sie mit Selbstmord droht: „Ich warne dich, Ben. Demütige mich nicht, wenn du Tragödien vermeiden willst, die dein Leben verkomplizieren. Wenn du mir noch einmal solch eine Kränkung zufügst, werde ich diesen Ort nicht mehr lebend verlassen. Dann werde ich für immer hier bleiben, und sei es als Leichnam.“
    Nach langem Zögern lässt Ben seine Geliebte holen. Die Unterredung ist so kurz wie pathetisch. Die Bonzen der Faschistischen Partei schmieden ein Komplott gegen ihn. Sie wollen ihn am nächsten Tag absetzen. Er braucht sie. Am 24. Juli 1943 wird Mussolini vom Großen Faschistischen Rat als Regierungschef abgesetzt. Mussolini kehrt in sein Arbeitszimmer zurück und ruft Clara an. Es ist 3 Uhr 45 morgens.
    „Wie konnte das geschehen?“
    „Wie so etwas eben passiert.“
    „Du machst mir Angst.“
    „Da gibt es nichts zu fürchten. Wir sind beim Nachwort angekommen, bei dem größten Wendepunkt der Geschichte. Mein Stern ist im Sinken begriffen. […] Du musst dich in Sicherheit bringen.“
    Am 25. Juli ruft er Clara mittags an, zum letzten Mal aus dem Palazzo Venezia. Er erzählt ihr, dass der König auf seiner Seite stehe und dass er ihn nachmittags treffen werde. Clara ahnt die Gefahr: „Geh nicht hin. An deiner Stelle würde ich dem Ganzen nicht trauen. Pass bloß auf, die werden dich in einen Käfig stecken wie eine Maus. Ich möchte nicht, dass man mit deinem Kopf Ball spielt.“ Benito lacht. Er täuscht sich. Als er in der Villa Savoye ankommt, lässt der König ihn festnehmen.
    Am 12. August wird auf Befehl der neuen Regierung auch die Familie Petacci verhaftet. Clara darf nur einen Anhänger behalten, auf dem steht: „Clara, ich bin du, du bist ich. Ben.“ Am 17. September, nachdem Mussolini von deutschen Fallschirmjägern aus dem Gefängnis befreit wurde, wird sie wieder auf freien Fuß gesetzt. Doch die beiden sehen sich erst am 28. Oktober in Gardone wieder. Dort, am Gardasee, werden sie von den Deutschen als Geiseln gehalten. Man sieht wieder Licht am Ende des Tunnels. „Er“ ist zurückgekehrt. Mussolini lebt die letzten Kapitel seines Lebens, und Clara ist an seiner Seite. Ihr Kampfgeist rührt ihn. Hat diese arme Frau nicht zu ihm gestanden, als viele Faschisten sich von ihm abwandten? Sie aber unterstützte ihn wie niemand sonst. „Eine zerbrechliche Kreatur, die mir treu geblieben ist … Ich stehe tief in ihrer Schuld.“
    Auch Clara wird von den Deutschen festgehalten. Man hat für sie eine Villa in ein paar Kilometern Entfernung von Benitos Wohnsitz gefunden. Wie besessen verschließt sie die Augen vor allem, was um sie herum geschieht, versucht sie, das Ritual des Tierkreis-Zimmers wieder aufleben zu lassen. Jeden Morgen kleidet sie sich elegant, legt Schminke auf und wartet auf den Mann, der für immer und ewig der ihre bleiben wird.
    Mustapha Omari, der Salonastrologe der römischen Schickeria, hatte ihr einst prophezeit: „Sie müssen sich vor einem tragischen Schicksal hüten. Genießen Sie die simplen Freuden der Bourgeoisie. Ihr Geschick ist untrennbar mit dem Mann Ihres Herzens verknüpft.“
    Wo aber ist Rachele verblieben? Sie weiß, dass eine andere, diese Petacci-Kuh, die Isolation ihres Mannes teilt. Am 18. Oktober 1944 dringt Rachele in Claras Villa ein und beschimpft sie wüst. Sie macht ihr eine regelrechte Szene. Doch ihre Tränen, ihre Wut sind nicht der Eifersucht geschuldet. Sie will ihre Verzweiflung mit der Rivalin teilen. Rachele weiß, dass nunmehr die Deutschen über Benitos Schicksal bestimmen.

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