DIE FRAUEN DER DIKTATOREN
Und sie glaubt nicht mehr, dass sie ihn retten kann.
Der Held ist gestürzt, doch weder Rachele noch Claretta lassen ihren gemeinsamen Geliebten im Stich.
Am 18. April 1945 verlässt Mussolini sein düsteres Gefängnis in Gardone und begibt sich nach Mailand. Clara begleitet ihn.
„Du musst nach Spanien gehen“, befiehlt er ihr.
„Nein, ich bleibe.“
Ihre Wahl ist getroffen. „Zu viele Menschen haben ihm den Rücken gekehrt. Ich kann ihm das nicht auch noch antun.“ Sie legt eine suizidale Selbstverleugnung an den Tag. „Wer liebt, stirbt. Ich folge meinem Schicksal, und mein Schicksal ist er“, schreibt sie in einem Brief an Myriam. Auf dem Umschlag bittet sie ihre Schwester, den Brief erst dann zu öffnen, wenn sie sicher in Spanien angelangt ist. Das Schreiben ist gleichsam ihr Testament. „Ich werde ihn nie verlassen, was auch immer geschehen mag. Ich weiß, dass ich ihm nicht helfen kann … Ich bitte dich nur um eines: Was auch immer geschehen mag, sorge dafür, dass die Menschen die Wahrheit erfahren – über mich, über ihn, über unsere erhabene Liebe, so schön, über die Zeit, über den Tod hinaus.“
Am Abend des 25. April 1945 folgt Clara dem Konvoi, der den „Duce“ aus Mailand hinausbringt. Sie nimmt nur einige wenige Sachen mit: den Nerz, den sie trägt, eine schwarze Handtasche, ein kleines Köfferchen mit Schminkutensilien und Medikamenten.
Am nächsten Morgen wollen sie den Ufern des Comer Sees folgend versuchen, in die Schweiz zu gelangen. Man hatte Clara immer „Mussolinis Hündin“ genannt. Dieses Schicksal hat sie schließlich auf sich genommen: „Wohin der Herr geht, geht auch der Hund.“
Mussolini schreibt Rachele einen Abschiedsbrief, in dem freundschaftliche Töne anklingen:
„Liebe Rachele,
nun bin ich also an der letzten Station meines Lebens angelangt, auf der letzten Seite des Lebensbuches. Vielleicht werden wir uns niemals wiedersehen. Daher schreibe ich dir diesen Brief. Ich bitte dich um Verzeihung für all das Leid, das du um meinetwillen erdulden musstest. Aber du sollst wissen, dass du die einzige Frau warst, die ich wirklich geliebt habe. In diesem heiligen Augenblick schwöre ich dies vor Gott und unserem Bruno. Du weißt, dass wir ins Veltlin wollen. Versuch du mit den Kindern, die Schweizer Grenze zu erreichen. Dort erwartet euch ein neues Leben.“
Die Geschichte endet auf der Straße um den Comer See. Mussolini wird von den Deutschen eskortiert. Die Alliierten und die von ihnen eingesetzte italienische Übergangsregierung wollen ihn unbedingt fassen. Er versucht, sich in einem Trupp SS-Soldaten zu verstecken und trägt eine deutsche Uniform und einen Helm. Er fährt auf einem Transportfahrzeug mit, mit einer Maschinenpistole bewaffnet. Um sich vor seinen Häschern zu verstecken, hat er die Uniform eines einfachen Soldaten gewählt. Schließlich hat auch Napoleon sich als österreichischer General ausgegeben, als man ihn nach Elba brachte.
Bei Dongo kontrollieren italienische Partisanen den Konvoi. Einer erkennt den „Duce“. Clara hatte man nicht erlaubt, das Transportfahrzeug zu besteigen. Doch im Schlussakt ihres Lebens sind die beiden wieder vereint.
Am folgenden Tag führt man sie um 16 Uhr nachmittags auf ein Feld. Clara weint ohne Unterlass. Ben ist apathisch. Bevor die Schüsse fallen, flüstert sie ihm ins Ohr: „Bist du glücklich, dass ich mit dir bis ans Ende gegangen bin?“ Er antwortet nicht. Pam, pam, pam.
[1]
Quinto Navarra, Memorie del cameriere di Mussolini, Mailand 1946.
[2]
Siehe Dino Biondi, Viva il Duce! Comment se fait un dictateur, Paris 1969.
[3]
Enrico Rocca, Diario degli anni bui, Udine 2005.
[4]
Rino Alessi, Journalist, in: Il Giornale del mattino, Bologna.
[5]
Guido Mazza, einer der Männer, die die Theorie zur neuen Männlichkeit im Faschismus erarbeiten helfen. Siehe Guido Mazza, Mussolini e la scrittura, Rom 1930.
[6]
Le Vol de l’aigle. Di Predappio a Roma, Rom 1933.
[7]
Autobiografie von 1911, zitiert von Pierre Milza, Mussolini, Paris 1999.
[8]
Aus Ma vie rebelle, geschrieben 1938, als sie bereits Gegnerin des Mussolini-Regimes geworden war, zitiert nach der französischen Übersetzung, die Pierre Milza in seiner Mussolini-Biografie vorlegt.
[9]
Yvon de Begnac, Taccuini Mussoliniani, zitiert nach Pierre Milza, Mussolini, ebd.
[10]
Françoise Liffran, Margherita Sarfatti, Paris 2009.
[11]
Zitiert nach: Margherita Sarfatti, The Life of Benito Mussolini, New York 1925, Übersetzung von der
Weitere Kostenlose Bücher