DIE FRAUEN DER DIKTATOREN
Zaren, Frankfurt a. M. 2005.
3
Stalin:
Liebe, Ruhm und Datscha
Du bist ein Folterknecht, jawohl, das bist du! Du folterst deinen eigenen Sohn, du quälst deine Frau … du peinigst das ganze russische Volk.
Nadja Stalin
Die verstorbene Kato
Gori, 13. Juni 1907, zehn Uhr morgens. Ekaterina, genannt „Kato“, sitzt auf dem Balkon und wiegt ihr drei Monate altes Kind. Ihr Mann hat sich zur „Arbeit“ aufgemacht. Am Abend kehrt der siegreiche Sosso nach Hause zurück. Sie haben es geschafft. Kato ist bestürzt. Ihr Mann, sein Bruder Kamo und ihre Bande haben eine Bank ausgeraubt und 250.000 Rubel erbeutet. Natürlich nur zum Wohle der Partei. Um ihre Aktion etwas ritterlicher aussehen zu lassen, hat Kamo den Säbel von Ekaterinas Vater mitgenommen und damit dreißig Menschen getötet. Dies entsetzt die junge Frau weit mehr als der Raub. Kato weiß ja, dass sie mit dem kaukasischen Paten des Bankraubs verheiratet ist, mit Iossif Wissarionowitsch Dschughaschwili: auch bekannt als Stalin.
Am Morgen des 13. Juni 1907 hat Stalin seine Bande um sich versammelt, der auch fünf bewaffnete Frauen angehören. Sein Plan: Er will die Zentralbank ausrauben. Erst am frühen Morgen bestätigten seine Komplizen, dass der Überfall an diesem Tag stattfinden soll. Um acht Uhr morgens versteckt die Bande sich in der Kneipe „Tilipuchuri“. Um zehn Uhr schreitet man zur Tat. Die mit Uniformen verkleideten Räuber betreten die Bank. Kamo zieht seinen Säbel, die Frauen holen Pistolen unter ihren Volantröcken hervor. Nach dem Überfall setzen ihnen Kosaken und Gendarmen nach. Das erbeutete Geld wird in der Unterwäsche der Frauen versteckt. Niemand wird eine Frau durchsuchen. Derart ausgepolstert besteigen die Frauen den Zug, die Scheine schmiegen sich an BH oder Höschen. Das Geld muss sofort an seinen Empfänger gehen, an Lenin und die Kommunistische Partei Moskaus. Dieser Überfall ist der letzte in einer ganzen Serie, die das vom Erdöl reiche Georgien seit Beginn des Jahrhunderts erlebt hat. Verantwortlich dafür zeichnen Stalin und seine Bande.
Am nächsten Tag ist Sosso ziemlich unruhig. Vielleicht hat man ihn ja wiedererkannt, er könnte jeden Moment verhaftet werden. Und so bittet er Kato, ihre Sachen zu packen. Sie reisen sofort ab, mit 15.000 Rubel im Gepäck. Dreizehn Stunden im Zug, mitten im Sommer. Ihr Ziel ist Baku. Als sie in der Hauptstadt des Erdölbooms ankommen, ist Kato vollkommen erschöpft. Baku: die Stadt ist ebenso russisch und georgisch wie persisch und pariserisch. Die Stadt ist reich, doch die Quelle dieses Reichtums vergiftet ihre Bewohner: Das Erdöl ist überall. Es wachsen keine Bäume mehr. Mitten im Meer sprudeln die Ölquellen. Wenn das Öl sich entzündet, rollen Flammenwellen auf die Stadt zu. Zu dieser Zeit fragt man noch nicht, ob Erdölförderung schädlich für die Umwelt sein könnte.
Das Leben an der Seite dieses Gangsters ist nicht gerade beschaulich. Sie sind gerade mal ein Jahr verheiratet, doch Kato hat nicht zum ersten Mal Grund zur Angst. So hatte sie sich das nicht vorgestellt. Was soll aus ihrem Kind werden, wenn Iossif verhaftet wird?
Ekaterina, genannt Kato, ist eine wohlgerundete Brünette und jüngste der Swanidse-Schwestern. Sie kam am 2. April 1880 in einem beliebten Viertel von Tiflis, der Hauptstadt Georgiens, zur Welt. Die drei Schwestern arbeiten als junge Mädchen im Schneideratelier der Französin Madame Hervieu, wo Stalin sich häufig versteckt. Er weiß ihre weibliche Gesellschaft zu schätzen. Ekaterinas Schwester erinnert sich an die erste Begegnung: „Er war ärmlich gekleidet. Dürr, mit olivfarbenem Teint. Sein leicht von den Pocken gezeichnetes Gesicht war schmäler, als dies hier üblich ist“ [1] . Ein echter Herzensbrecher. Stalins Erinnerung an diesen Tag ist im Ton etwas sentimentaler: „Sie ließ mein Herz dahinschmelzen.“ [2]
Eines Tages besuchen die Eltern ihre drei Töchter im Atelier. Stalin ist wie üblich ebenfalls zugegen. Er singt für sie romantische Lieder, „mit einem Gefühlsüberschwang, dass er alle bezauberte, obwohl sie merkten, dass er grobschlächtig […] war“ [3] , erinnert sich ein Cousin der Mädchen, der die Szene miterlebte. Wollte er auf Ekaterinas Eltern Eindruck machen, um sich als möglicher Schwiegersohn zu empfehlen?
Wie kann dieser kleine, pockennarbige Mann die schöne Ekaterina gewinnen? Stalin besitzt sozusagen eine Geheimwaffe: seine romantische Ader. Er schreibt Gedichte für das Mädchen und trägt sie
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