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DIE FRAUEN DER DIKTATOREN

DIE FRAUEN DER DIKTATOREN

Titel: DIE FRAUEN DER DIKTATOREN Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diane Ducret
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mich, als wäre mein Herz abgestorben. Als wäre, weil ich meinen Willen und meine Leidenschaft ganz W. I. gewidmet habe, jeder Frühling der Liebe in mir verdorrt.“
    Für einen romantischen Menschen, schreibt sie mit letzter Kraft, nehme „die Liebe den ersten Platz im Leben ein. Sie kommt vor allem anderen.“ Zu ihrem Unglück ist Lenin so ganz anders veranlagt.
    Am 11. Oktober läutet um drei Uhr morgens bei Polina Winograskaja, einer engen Freundin Inessas, das Telefon. Lenin ist am anderen Ende der Leitung. Er teilt ihr mit, dass der Leichnam Inessa Armands am Moskauer Bahnhof Kasan angekommen ist. Sie starb am 24. September 1920 nach einer durchlittenen Nacht.
    Es ist noch dunkel, als Polina am Bahnhof ankommt. Sie findet dort Lenin und Nadja vor, in Begleitung von Inessas Kindern. Zahlreiche Kommunistinnen geben ihrer Genossin das Geleit [26] . Um acht Uhr morgens macht die Gruppe sich auf Richtung Kreml. Lenin besteht darauf, die drei Kilometer zu Fuß hinter dem Sarg herzugehen.
    Inessa wird an der Mauer des Kremls beigesetzt. Als Epitaph dient eine einfache Inschrift: „Der Genossin Inessa von W. Il. Lenin“.
    Lenin ist tief erschüttert. Auch Nadja und Alexander betrauern die Tote. Niemand vermag zu sagen, wer von den dreien am meisten erschüttert ist. Auch Angelica Balabanoff, die Inessa im Umfeld des sowjetischen Führers nie akzeptieren konnte, wohnt den Trauerfeierlichkeiten bei. Sie erlebt einen Lenin, der sich vor Schmerz kaum zu fassen weiß: „Nicht nur sein Gesicht, sein ganzer Körper drückte tiefen Schmerz aus. Ich hätte ihn fast nicht wiedererkannt. Es war klar, dass er mit seinem Kummer allein sein wollte. Er sah aus, als wäre er geschrumpft. Sein Hut verdeckte fast sein ganzes Gesicht, seine Augen schienen in Tränen zu schwimmen, die er gleichwohl zurückzuhalten suchte.“ [27] Die ebenfalls anwesende Alexandra Kollontai konnte nichts weiter tun, als seinen Schmerz mit anzusehen: „Er ging mit geschlossenen Augen, und man hatte den Eindruck, als könne er jeden Moment zu Boden sinken.“ [28]
    Spiel mit Dame(n) im Kreml
    Sekretärinnen mit Sonderstatus
    Kreml, Mai 1922. Wladimir wird Opfer eines Schlaganfalls [29] . Geschickt übernehmen seine Frauen die Leitung des neuen sozialistischen Staates und unterstützen ihn, während die Nachwirkungen des Schlaganfalls ihn für eineinhalb Jahre lähmen. Er kann seine rechte Seite nicht bewegen, mitunter ist ihm auch das Sprechen unmöglich. So kann er weder arbeiten noch schreiben. Nachdem er die Führung der Staatsgeschäfte einige Zeit lang abgegeben hatte, erlaubten die Ärzte ihm, sie wieder aufzunehmen. Allerdings konnte er nicht selbst schreiben, sondern musste diktieren. Natürlich wird diese vertrauliche Arbeit von seiner Frauenriege übernommen: seine Frau Nadja, seine Schwester Maria, seine Sekretärin Fotijewa. Ohnehin hat Lenin sich nach der Machtergreifung mit einer wahren Armada dienstbarer weiblicher Sekretärinnengeister umgeben. Die Wichtigsten unter ihnen waren zweifellos Lidija Alexandrowna Fotijewa, die die ausländischen Gäste empfing, und Nadja Allilujewa, die junge Frau Stalins. Sie organisieren mit weiblicher Sanftheit das Leben dieses Mannes, was ihm erlaubt, seine ganze Energie in die Lenkung des auseinanderbrechenden Staates zu stecken, der am Rande des Bürgerkriegs steht.
    Nun, wo Lenin Schwäche zeigt, stehen schon die Nachfolger in den Startlöchern. Trotzki und Sinowjew wollen die Leitung der Partei übernehmen. Stalin, der gleich aufs Ganze geht, hat anderes im Sinn. Er wagt es, an Lenin zu zweifeln. Der „Alte“ [30] hat seine Schuldigkeit getan, er kann in Rente gehen, er ist einfach nicht mehr auf der Höhe. Doch Stalin braucht ihn noch: Lenin muss ihn zu seinem Nachfolger an der Parteispitze ernennen. Denn wie soll man ein so großes Land wie das kommunistische Russland regieren ohne die Zustimmung des Vaters der Revolution?
    Im Oktober 1922 übernimmt Lenin erneut die Geschäfte. Doch für wie lange? Er ist schwach und weiß, dass er nicht mehr lange durchhalten wird. Am Weihnachtsabend diktiert er einer seiner Sekretärinnen einen „Brief an den Kongress der Kommunistischen Partei“, der sein politisches Testament darstellt: „Ich glaube, dass die Mitgliedschaft von Männern wie Trotzki oder Stalin im Zentralkomitee eine Bedrohung für die Stabilität darstellt. […] Genosse Stalin hat nach seiner Ernennung zum Generalsekretär unermessliche Machtbefugnisse angesammelt, und ich bin nicht

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