DIE FRAUEN DER DIKTATOREN
ihr vor:
„Wenn der hell scheinende Vollmond am Himmelsgewölbe erscheint, wenn sein Licht über uns erstrahlt und über dem blauen Horizont spielt, wenn der Gesang der Nachtigall durch die Lüfte zieht, der Klang der Flöte sich über den Bergen erhebt … Dann legt sich auch über mein Herz der Nebel der Traurigkeit.“ [4]
Am 15. Juli 1906 beschließt Stalin, in puncto Verführung den Stand der Dinge etwas voranzutreiben. Er ist gerade von einer Reise nach Stockholm zu einem Kongress der Kommunistischen Partei zurückgekommen. Ekaterinas Schwester erkannte ihn kaum wieder: Die Genossen dort haben ihn mit Anzug, Filzhut und Pfeife ausgestattet. Er wirkte fast europäisch: „Es war das erste Mal, dass wir ihn so gut angezogen sahen.“ Nach den Gedichten jetzt also die schicke Schale. Iossif weiß, wie er es anstellen muss.
Noch am selben Abend teilen Kato und Sosso ihren Familien mit, was sie füreinander empfinden. Tags darauf verkündet Stalin seinen Genossen: „Kato Swanidse und ich werden heute Abend heiraten. Wir feiern bei uns zu Hause. Ihr seid natürlich eingeladen.“ Sosso schiebt nicht gerne was auf die lange Bank.
Und sie bewundert ihn wie einen Gott. Seine Ideen, seine Persönlichkeit, alles an ihm fasziniert sie. Aber sie weiß auch, dass er aufbrausend ist und die sozialistische Sache für ihn immer Vorrang haben wird. Ekaterina hingegen ist hingebungsvoll, gut erzogen und emanzipiert. Mit der einen Hand organisiert sie Finanzhilfen für die Sozialdemokraten, mit der anderen pflegt sie Verwundete, wenn es Zusammenstöße mit den Kosaken gab.
Obwohl Stalin ein mit allen Wassern gewaschener Bandit und überzeugter Atheist ist, besteht Ekaterina auf einer „richtigen“ Heirat, in einer Kirche und im weißen Kleid. Und er würde alles für sie tun, sogar den Mittelgang einer Kirche hinabschreiten. Doch kein Priester ist bereit, die beiden zu trauen, weil Stalin zu jener Zeit einen falschen Namen benutzt: Galiaschwili.
Schließlich treibt sein Schwager in spe einen Priester auf, der Stalin noch aus seiner Schulzeit in Gori kennt. Seine Mutter, die den Jungen aufs Priesterseminar geschickt hatte, hatte all ihre Hoffnungen begraben, als Stalin ein Leben als Bandit dem Priesterberuf vorzog. Der Priester willigt ein, die beiden zu trauen, doch erst um zwei Uhr morgens, um nicht erwischt zu werden.
Und so schließen Kato und Sosso am 15. Juli 1906 in der Kirche der Heiligen Nina im Schein der Kerzen den Bund der Ehe, umgeben von ihren Freunden und Verwandten. Schon bei dieser Gelegenheit macht sich Stalins Naturell bemerkbar: Er trägt keineswegs seinen schönen Anzug, sondern ist mehr oder weniger in Lumpen zur Trauung erschienen. Die Zeremonie wird unter dem Gelächter der Umstehenden, in das auch Stalin mit einstimmt, vollzogen. Er findet das Ganze bloß absurd.
Das Hochzeitsessen findet bei Katos Schwester Alexandra, genannt „Sashiko“, statt. Dort versammeln sich alle Genossen aus Stalins Bande. An jenem Abend tut er sehr verliebt mit seiner Frau. Wieder singt er mit seiner sonoren Stimme romantische Lieder, während Kato Witze reißt: „Wo ist nur dieser dumme Gendarm? Schließlich sitzen hier die meistgesuchten Männer der Stadt zusammen. Er könnte uns einsammeln wie die Schafe.“
Die Mutter des frischgetrauten Bräutigams, Anna Nikitin, mit Spitznamen „Keke“, zeigt sich skeptisch, was die Zukunftschancen dieser Ehe angeht: „Sosso hat geheiratet. Er hat jetzt eine kleine Frau. Aber was für eine Familie soll das werden? Das frage ich mich.“ [5] Und tatsächlich fallen die Flitterwochen ersatzlos aus. Sosso widmet sich seiner Frau, wenn er ein bisschen Zeit erübrigen kann, doch die Politik hat für ihn Vorrang. Darüber hinaus fängt er an, brutal zu werden, aber das kümmert sie nicht. Schließlich liebt sie ihn. Und er führt nach wie vor das Leben eines Mannes, der von der Polizei gejagt wird. Er ist vorzugsweise nachts unterwegs, raubt Banken aus und tötet die Agenten des Zaren. Der Beruf des Revolutionärs ist nicht eben förderlich für das Glück eines jungen Paares, das durch die Ereignisse mehr als einmal auf die Probe gestellt wird.
In Baku leben sie ein wenig außerhalb, auf der Halbinsel Bailow. Sie bewohnen ein Tatarenhaus mit niedrigen Decken direkt am Meer, das sie von einem Türken gemietet haben. Kato ist eine fantasievolle Hausfrau und so verwandelt sie die Hütte in ein behagliches Heim mit einem geschnitzten Holzbett, hübschen Vorhängen und der kleinen
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