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DIE FRAUEN DER DIKTATOREN

DIE FRAUEN DER DIKTATOREN

Titel: DIE FRAUEN DER DIKTATOREN Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diane Ducret
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verwischen. Mit ihren siebenunddreißig Jahren führt Emilia ein recht freies Leben, was António hoffen lässt, dass sie keine Forderungen an ihn stellen wird: keine Versprechungen, keine Verpflichtungen. Tatsächlich einigt man sich gleich zu Beginn der Beziehung, dass keiner vom anderen etwas verlangen wird, was dieser nicht zu geben bereit ist.
    Kurz nach dieser Begegnung erzählt Emilia ihrer Freundin Teresa, einer Lissaboner Schauspielerin, dass sie die Nacht im Palácio de São Bento – der offiziellen Residenz Salazars – verbringen wird. Offensichtlich stört es die beiden nicht, dass Teresas damals neunjähriger Neffe, Luiz Oliveira Nunes, ihre Unterhaltung mit anhört. Am nächsten Morgen erkundigt sich die Freundin begierig nach Neuigkeiten. „Ach, ich bin sehr enttäuscht“, antwortet Emilia. „Am Ende ist er doch nur ein Mann wie alle anderen.“ Und sie erzählt ihrer Freundin weiter, er habe es sehr eilig gehabt, sei „direkt aufs Ziel“ zugesteuert und habe sich „das Vorgeplänkel quasi geschenkt“.
    Emilia Vieira kam 1897 in Porto zur Welt. Ihre Familie war vollkommen mittellos. Ihr Vater, ein gelernter Schuhmacher, schloss sich Ende des 19. Jahrhunderts der Verschwörung gegen die Monarchie an und verbrachte daher lange Zeit im Gefängnis. Die Tochter hat offensichtlich einiges vom rebellischen Geist des Vaters geerbt. Als die Republik ausgerufen wird, zieht er nach Lissabon und nimmt eine Wohnung im schicken Chiado-Viertel, gleich neben dem Teatro São Carlos. Dort wird er zum Spezialisten für Bühnenschuhwerk. Von den drei Jungen und vier Mädchen, die das Paar großzieht, ist Emilia die hübscheste, aber auch die vorlauteste. Sie ist bekannt für ihr loses Mundwerk. Das Mädchen erhält Klavier- und Französischunterricht. Die Sprache steht bei den jungen Mädchen aus guter Familie hoch im Kurs. Beim Theater verdient ihr Vater gutes Geld, und so macht die Familie Ferien in Estoril, wohin auch die portugiesische Königsfamilie in die Sommerfrische fährt. Dort lernt Emilia reiten. Und sie behält die Gewohnheit auch in Lissabon bei. Unter den Augen der schockierten Damen von Welt durchmisst sie Lissabon auf dem Rücken eines Pferdes. Und damit ist der Verrücktheiten noch kein Ende: Einer ihrer Brüder bringt ihr gar das Boxen bei. Doch zum Skandalon wird sie erst, als sie orientalischen Tanz lernt.
    Noch vor Anbruch des 1. Weltkriegs aber verfällt ihr Vater dem Alkohol und den Frauen. Er geht pleite. Emilia ist zu jener Zeit achtzehn Jahre alt und muss nun auf eigenen Füßen stehen. Sie beginnt ihre Karriere als Eintänzerin zu den neuen Rhythmen des Jazz. In den großen Hotels wie dem Avenida Palace eröffnet sie Tanzveranstaltungen, indem sie die anwesenden Herren auf die Tanzfläche entführt. Jahrelang tanzt sie mit demselben Partner, betont aber stets, dass sie mit ihm nicht zusammen ist, da er „homosexuell“ sei.
    Sie bestreitet also ihren Lebensunterhalt, indem sie sich auf Bällen und Transatlantikschiffen als Tänzerin verdingt. Das internationale Publikum, das sie dabei kennenlernt, macht ihr Lust auf mehr. Gegen Kriegsende landet die junge Frau in Paris. Zuvor allerdings lernt sie noch Pistolenschießen. Man weiß ja nie … Im Paris der Zwanzigerjahre teilt sie das Leben der Boheme im Montmartre-Viertel und entwickelt eine Leidenschaft für das Okkulte. Sie gehört einem Zirkel von Portugiesen in Madame Blavatskys theosophischer Gesellschaft an. Dort entwickelt man aus hinduistischen und buddhistischen Lehren eine neue esoterische Doktrin. Fünf Jahre später ist sie zurück in Portugal. Nun kann sie in den Sternen lesen und Horoskope erstellen.
    Alten Gewohnheiten folgend nimmt sie wieder eine Stelle als Eintänzerin im Palácio Foz in Lissabon an. In der Avenida da Liberdade ist sie regelmäßige Kundin im Makaventos, einem Club für einsame Herzen. Allerdings ist das Makaventos eher bekannt als Begegnungsstätte zwischen ebenso reichen wie reifen Herren und jungen Damen. Um dem Zahn der Zeit keine Angriffsfläche zu bieten und sich Schönheit und Sex-Appeal möglichst lange zu bewahren, trinkt sie jeden Tag ein Elixier aus Eidotter, Rotwein und Zucker. Ihre Sinnlichkeit offenbart sie vor allem im orientalischen Tanz, der ihre Spezialität ist. Während ihrer Auftritte bei Herrenabenden ist ihr einziges Accessoire eine Schlange, die sich halbmondförmig um ihr Handgelenk und ihren Hals windet. Doch sie nimmt ihr Maskottchen auch zu regulären Tanzabenden mit.

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