DIE FRAUEN DER DIKTATOREN
wollen. Ich bin nun ganz allein.“ Sie nutzt die Gelegenheit, um ihm von ihrer finanziellen Misere zu berichten, und bittet ihn, doch zu ihren Gunsten beim Finanzminister zu intervenieren. Sie hat ja auch etwas anzubieten: „Wenn Sie meine Empfehlung unterschreiben, könnte ich Ihnen nützlich sein, denn ich kenne einen Ausländer, einen russischen Juden, der mir verdächtig erscheint. Er hat neulich die ganze Nacht mit einem Portugiesen über politische Themen diskutiert.“ Offensichtlich hat Denunziation auch etwas Erregendes.
Norberto, der mit seiner dauerhaften Freiheit nichts anzufangen weiß, akzeptiert die Heirat mit Emilia schließlich doch. Und António ist der Erste, der es erfährt – in einem Spiel mit der Eifersucht, das jeder Telenovela würdig gewesen wäre: „Meine Ehe ist im Februar wiederauferstanden von den Toten, gerade zu jener Zeit, als sich der Tag jährte, an dem wir uns kennengelernt haben, Sie und ich.“
Nach dem Krieg ist Emilia eine gesetzte Frau. Doch sie stellt Salazar immer noch die Horoskope. Aber die Auspizien Ende 1967 stehen nicht gut. Sie erstellt sein Solarhoroskop für das folgende Jahr: Die Sterne sind ihm nicht wohlgesinnt, und António, ein im April geborener Stier, lässt sich von den Vorhersagen verunsichern. Mars und Merkur treten in eine verhängnisvolle Konstellation ein, was mit Sicherheit Ärger bedeutet. Emilia warnt ihn vor der anstehenden Krise: „Unfallrisiko, das von dem Geborenen selbst verschuldet ist“. Im August dieses Jahres will Salazar sich auf seiner Terrasse auf einem Liegestuhl niederlassen, das Tuch reißt, Salazar stürzt und verletzt sich den Kopf. „Aszendent im achten Haus: finanzielle Probleme. Gesundheitliche Schwierigkeiten, vielleicht auch ein Trauerfall. Diese Konstellation zeigt häufig das Todesjahr an.“ Am Tag nach dem Unfall fühlt Salazar sich nicht wohl, mitten in der Nacht bringt man ihn ins Krankenhaus. Dort stellt man einen Bluterguss im Gehirn fest. Kurze Zeit später platzt die Ader. Salazar wird nicht mehr regieren. Drei Jahre später stirbt er am 27. Juli 1970.
Salazars Astrologin aber wird unter dem Pseudonym „Sibila“ die Horoskop-Rubrik der Zeitschrift A Capital schreiben, die der ehemalige Jurastudent leitet, den sie geheiratet hat: Norberto Lopes.
Die Pariser Schönheit
Doch gegen Ende des 2. Weltkriegs hat Salazar noch keine Ahnung, was die Sterne für ihn bereithalten. Politisch genießt er den Status des starken Mannes, der es verstanden hat, den Sirenengesängen des Krieges zu widerstehen. Und er ist immer öfter Gast im Hotel Borges.
An einem Herbsttag im Jahr 1945 hält gegen 16 Uhr sein offizieller Dienstwagen vor dem Hotel. Der Chauffeur steigt aus und öffnet ihm die Tür. In Sekundenschnelle steigt Salazar aus und verschwindet im Hoteleingang. Er begibt sich in den 3. Stock und betritt Zimmer 301, dessen Fenster nach hinten hinaus gehen – ein diskretes Liebesnest. Eine hochmodische, recht auffallende Frau begleitet ihn.
Mercedes de Castro Feijó ist Tochter eines portugiesischen Diplomaten und Dichters, der Botschafter seines Landes in Stockholm ist. Salazar hat mit ihr eine Frau kennengelernt, die man zu den schönsten des Jahrhunderts zählte, sodass sie dazu auserwählt wurde, am Hofe Gustav V. die Bälle zu eröffnen. Mercedes wuchs im Schatten ihrer Mutter zwischen lauter Adligen auf. Als ihre Eltern sterben, erbt sie ein beträchtliches Vermögen und bekommt den schwedischen Botschafter Sven Berjius zum Vormund. Für die beiden beginnt ein regelrechtes Nomadenleben. Sie gehen dorthin, wohin Pflicht und Vorgesetzte sie rufen, und schließen sich jeder Delegation an, in der man ihre Dienste wünscht.
Sobald sie volljährig ist, lässt Mercedes sich in Paris nieder. Ihr Wohnsitz ist das Hôtel de l’Arcade in der Nähe der Place de la Madeleine. Sie führt ein fürstliches Leben, spielt auf der Rennbahn und hat bald ihr gesamtes geerbtes Vermögen aufgebraucht. Diese rebellische Frau hat nicht die geringste Lust auf das, worin sich zu jener Zeit die Hoffnungen der Frauen erschöpfen: Mann, Ehe, Kinder. Ihr schwebt ein anderes Leben vor, ein Leben voller Glanz und Gloria. Und in Paris fühlt sie sich frei.
Hitler ist im Begriff, in Frankreich einzumarschieren, doch Mercedes denkt gar nicht daran, ihr geliebtes rive gauche , das Pariser Künstlerviertel, zu verlassen. Dieser seltsame Sitzkrieg jagt ihr keine Angst ein. Als die Deutschen vor Paris stehen, muss sie schließlich doch
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