DIE FRAUEN DER DIKTATOREN
Wer immer sich beeilt, um einen Tanz mit ihr zu ergattern, und sie nicht kennt, zuckt erst einmal zurück, sobald er sieht, welche Art „Schal“ sie da um den Hals geschlungen hat. Auch in ihren persönlichen Beziehungen weiß die junge Frau zu schockieren. So unterhält sie eine leidenschaftliche Affäre mit der Malerin und Bühnenbildnerin Maria Adelaïde Lima Cruz.
Irgendwann hat sie das Stadtleben satt und mietet sich ein Häuschen am Strand von São João. Sie lässt sogar eine Holzstiege anbauen, die direkt zum Strand führt. Das Haus wird zur bevorzugten Sommerfrische ihrer zahlreichen jugendlichen Liebhaber. Einer von ihnen sollte bald auf Dauer dort einziehen. Norberto Lopes, ein junger Jurastudent und angehender Journalist, hat sich von der Schlange nicht abschrecken lassen. Das Los hatte ihm Emilia als Partnerin für einen ganzen Tanzabend zugeteilt. Sie tanzten die halbe Nacht miteinander und blieben dann zusammen. Kurz darauf zog er – gegen den Willen seiner Familie – bei ihr ein. Er würde zwanzig Jahre dort bleiben.
Zur selben Zeit versinkt die junge spanische Republik im Bürgerkrieg. Lopes hat eine Leidenschaft für den Journalismus. Er will nach Spanien, um von den Gräueln dort zu berichten. Die Kämpfe zwischen den Soldaten und den Falangisten, einer ultranationalistischen, faschistischen und antikommunistischen Bewegung, haben Madrid in Aufruhr versetzt. Verfolgungen sind an der Tagesordnung. Es vergeht kein Tag, ohne dass jemand von Heckenschützen oder Todeskommandos ermordet wird. Emilia will ihren Galan dennoch begleiten. Am Ende fährt er ohne sie. Was letztlich nicht so schlimm ist, denn sie hält weiter Kontakt zu ihm: durch spiritistische Sitzungen.
Währenddessen unterwirft Salazar Portugal einer rigorosen Gleichschaltung. Keine Diktatur ohne Terror: Die politische Polizei spioniert, verhört, foltert und tötet. Die Opposition stellt sich ihm nicht in den Weg, von den Kommunisten einmal abgesehen. Doch auch deren Aufstände wirft er gnadenlos nieder. Und man zollt dem Mann, dem es gelingt, das spanische Bürgerkriegsgespenst von Portugal fernzuhalten, allgemeinen Beifall.
Weihnachten 1936 jedenfalls hat Salazar allen Grund zum Feiern. Er speist mit Kardinal Cerejeira zu Abend. Vor Mitternacht aber schlüpft er in die Dunkelheit hinaus, um Emilia zu treffen, die er zwei Jahre zuvor kennengelernt hat. Sie schreibt ihm ein Kärtchen: „Ich will bei Ihnen sein. […] Und Ihnen sagen, wie tief die Dankbarkeit ist, die Ihr in den letzten Jahren durch ein Wort, eine Geste in meinem Herzen habt wachsen lassen und die sich wie durch Zauberhand in meine besten Wünsche zum neuen Jahr verwandelt. So war es, so ist es, so wird es sein. All meine Zärtlichkeit von Eurer ewig treuen …“
Alle hier geschilderten Beziehungen Salazars haben eines gemeinsam: Er hält sie nur dann aufrecht, wenn sie ihm einen politischen Vorteil bringen. Und Emilia ist nicht nur seine treue Geliebte, sie ist auch seine Astrologin geworden. Er kommt ohne den Rat seiner Haus-Seherin einfach nicht mehr aus. Sie kennt seine Ängste und schickt ihm jeden Monat ein ausführliches Horoskop: „Ich arbeite gerade am Solarhoroskop dieses Jahres, bin aber heute noch nicht fertig geworden, wie ich es wollte. Ich wünsche mir von Ihnen, dass Sie mehr als sonst auf Ihre Gesundheit achten. Sie müssen sich mehr Ruhe gönnen. Wenn Sie einige Minuten Zeit für mich haben, dann rufen Sie mich doch gegen 15 Uhr an. Sobald ich meine Arbeit beendet habe, werde ich Ihnen das Ergebnis selbst vorbeibringen.“
Der 2. Weltkrieg, der ganz Europa in Schutt und Asche gelegt hat, ist an Salazars Portugal vorübergegangen.
Die Beziehungen zu Emilia haben einen Vorteil: Man muss nicht gegen mögliche Schwangerschaften vorsorgen. Sie hat sich sterilisieren lassen, um jedes Risiko auszuschalten. Die Zeit der nächtlichen Eskapaden ist ohnehin vorüber. Der tägliche Genuss des Elixiers vermochte nicht, die Zeit für Emilia anzuhalten. Sie muss einen Ehemann finden, um ihre Stellung in der Gesellschaft zu sichern. Dummerweise will ihr langjähriger Geliebter Norberto Lopes sie nicht heiraten. Es kommt zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden. Eines Morgens verlässt er sie. Am selben Tag noch teilt sie António mit, dass sie nun sozusagen „frei“ ist: „Um die ganze Odyssee abzukürzen, teile ich Ihnen nun mit, dass ich von dem Mann, mit dem ich zusammengelebt habe, getrennt bin. Sie können mich anrufen, wann immer Sie
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