DIE FRAUEN DER DIKTATOREN
Dreißigjährige: „Weißt Du, dass man mir hin und wieder berichtet, ich würde mich verheiraten? Meine Freunde sagen mir dies allen Ernstes, und ich bin geneigt, es zu glauben. Es ist durchaus möglich, dass Eure Exzellenz mich eines Tages verheiratet vorfinden und ich kann Euch versichern, dass ich es weder wollte noch davon wusste. […] Mitunter überkommt mich die Lust, in den Zeitungen folgende Anzeige veröffentlichen zu lassen: ‚Ich verkünde hiermit allen, die es angeht, vor allem den an meinen persönlichen Beziehungen Interessierten, dass ich ganz und gar frei bin, keine Verlobte oder Geliebte habe, keinen Flirt oder anderes pflege.‘“
Maria-Laura: das Minister-Groupie
Mittlerweile hat Salazar es vom Assistenzprofessor zum eigenen Lehrstuhl gebracht. Aber seine Ferien verbringt er immer noch am liebsten auf dem elterlichen Bauernhof. Als er dort in den Zug nach Coimbra steigt, sieht er eine junge Frau mit riesigen grünen Augen, die ihn beobachtet. Maria-Laura Campos steigt eben aus dem Zug. Der ritterliche junge Mann ist gleich zur Stelle und hält ihr galant den Arm hin. Maria-Laura hat gerade ein paar Tage bei ihrer Tante Gloria Castanheira verbracht. Bei einem Liederabend in Glorias Haus trifft er sie wieder.
Eduardo Augusto, der Vater der schönen Aristokratin, ist Richter. Seine Frau Laura hatte eine komplizierte Schwangerschaft und starb zwei Jahre nach Maria-Lauras Geburt. Auf ihrem Sterbebett bat sie ihre beste Freundin, Maria Castanheira, ihren verwitweten Mann zu heiraten, damit die Kleine nicht als Halbwaise aufwachsen müsse. Maria Castanheira ist Glorias Schwester und sie ließ dem Mädchen eine hervorragende Erziehung angedeihen: Die Kleine weiß sich kultiviert über Literatur zu unterhalten, und das auch noch in fließendem Französisch.
Als sie Salazar bei ihrer Tante Gloria wiedersieht, findet sie ihn zwar interessant, fühlt sich aber kein bisschen von ihm angezogen. Ihr Herz ist zu diesem Zeitpunkt anderweitig vergeben. Die junge Frau von einundzwanzig Jahren hat sich mit einem Kaufmann aus Porto verlobt. Und wie sehr António sich auch ins Zeug legen mag: Zum ersten Mal beißt er bei einer Frau auf Granit. Sein Stolz ist verletzt. Was die Hoffnungen von Gloria Castanheira ein für alle Mal zunichte macht. António tröstet sich nämlich mit einer Reihe von Eroberungen: Aline, Schülerin der russischen Gesangsschule, die etwas Abwechslung in die Liederabende von Coimbras guter Gesellschaft brachte, singt ihm zu später Stunde Opernarien. Gloria wird nicht müde, sich zu beklagen. Doch Salazar, der es nicht ertragen kann, auch nur eine Bewunderin zu verlieren, beruhigt sie: „Ich kann Euch versichern, dass die Piano-Anwärterin nicht meine Verlobte ist und sich daher auch nicht als solche bezeichnen kann. […] Es handelt sich um ein junges Mädchen, ein sehr junges, nach der Rocklänge zu schließen. Andererseits: Was kann man heute noch aus der Länge der Röcke schließen?“
Doch neben der Rocklänge der jungen Portugiesinnen kümmert Salazar sich auch um die finanziellen Probleme der öffentlichen Waisenhäuser Coimbras. Er lässt wichtige Arbeiten durchführen und bedient sich Glorias Hilfe, um die nötigen Spendengelder einzuwerben. Aber Salazar zeigt sich weit weniger erkenntlich, als die ehemalige Sängerin dies erwartet hätte: „Dass ich Euch nun verpflichtet bin, bekümmert mich wenig und kostet mich nichts“, schreibt er ihr. Ihre Reaktion auf diese Grobheit fällt entsprechend zornig aus. Beleidigt schreibt er ihr zurück: „Ich habe dem nichts weiter hinzuzufügen, außer vielleicht: Ich wünsche von Herzen, dass Eure Exzellenz mir erlauben mögen, Euch nicht mehr länger mit meinen vulgären ‚schülerhaften‘ Beschreibungen zu langweilen […], damit Ihr nicht mehr länger den unglücklichen und ungerechtfertigten Eindruck habt, ich mokiere mich über Euch.“ Der Briefwechsel zwischen Salazar und Gloria, bei dem die beiden sich abwechselnd in die Haare kriegen, sollte von 1918 bis 1956 andauern.
Vom autoritären Regime Mendes Cabeçadas wird Salazar mit nur neununddreißig Jahren zum Finanzminister ernannt und lebt fortan in Lissabon. Er will das Land reformieren, lässt aber das Schwert noch in der Scheide. Mit eiserner Hand beseitigt er das Defizit des Landes. Er managt die Finanzen ähnlich rüde wie seine Amouren: Er friert die Gehälter ein, beschneidet die Ausgaben der öffentlichen Hand, nimmt von der Mittelklasse und den Arbeitern. Salazar
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