Die Frauen, die er kannte: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)
wartete einen Moment. Er beobachtete, wie Ursula ausstieg, den Kofferraum öffnete und zwei große Koffer mit ihrer Ausrüstung herausnahm. Vanja saß mit Sonnenbrille neben ihm auf dem Beifahrersitz. Ihr Kopf lag schwer auf der Nackenstütze, und sie atmete ruhig und regelmäßig.
Als sie in die Garage gegangen waren, hatte sie ihm die Autoschlüssel zugeworfen.
«Du fährst», hatte sie gesagt.
Seither hatten sie nicht mehr miteinander geredet. Kein einziges Wort. Er chauffierte sie schweigend aus der Stadt hinaus in Richtung Norden. Als sie eine Weile auf der E18 gefahren waren, hatte er sie gefragt, ob es in Ordnung wäre, wenn er das Radio anstellte. Er erhielt keine Antwort und stellte The Voice ein. Snoop Dogg. Da sie nicht gegen die Musik protestierte, vermutete er, dass sie eingeschlafen war. Nachdem sie Bro verlassen hatten, bog er rechts auf die 269 ab und fuhr mit Hilfe seines Navis auf eine kleinere Straße, die zur Kiesgrube in der Nähe von Lövsta führte. Jetzt waren sie angekommen. Er rüttelte leicht an ihrer Schulter.
«Wach auf, wir sind da.»
«Ich bin wach!»
«Okay. Wir sind jedenfalls da.»
Vanja richtete sich im Sitz auf, räkelte sich und sah verwirrt aus dem Fenster, so, wie man es nur tat, wenn man gerade erst aufgewacht war, aber Billy verkniff sich einen Kommentar. Sie stiegen aus dem Auto und gingen auf den ausgebrannten Ford zu. Zwischen den Kieshaufen schien die Luft vollkommen still zu stehen. Überall summten Insekten herum. Vanja schätzte die Temperatur auf fünfundvierzig Grad. Kurz vor der Absperrung, die gerade erst eingerichtet wurde, stand eine uniformierte Polizistin Mitte zwanzig. Vanja steuerte auf sie zu, während Billy zum Auto weiterging.
«Jennifer Holmgren», sagte die Uniformierte und streckte Vanja die Hand entgegen.
«Vanja Lithner, Reichsmordkommission. Haben Sie das Auto gefunden?»
«Ja.»
Vanja sah zu dem Wagen hinüber oder, besser gesagt, zu dem, was davon noch übrig war. Dass er einmal blau gewesen war, konnte man nur an einzelnen Stellen erahnen, die das Feuer aus irgendeinem Grund nicht zerstört hatte. Ansonsten war er aschgrau. Die Reifen und die Stoßstange waren geschmolzen, ebenso wie die gesamte Innenausstattung. Die Türen und das Dach waren von der Hitze verbeult, alles Glas war zersprungen. Der Kofferraum stand offen, und die Motorhaube fehlte, möglicherweise war der Motor explodiert. Das würde Ursula ihnen später genauer berichten können. Sie ging bereits um das Wrack herum und fotografierte es aus allen erdenklichen Winkeln.
Vanja wandte sich erneut an Jennifer. «Haben Sie etwas angefasst?»
«Ja, ich habe den Kofferraum geöffnet.»
«Warum das denn?»
Schon seit Jennifer ihren Fund gemeldet und die Anweisung erhalten hatte, vor Ort auf die Reichsmordkommission zu warten, hatte sie über dieser Frage gegrübelt. Sie befürchtete, dass ihr wahrer Grund dafür, den Kofferraum zu öffnen – nämlich die Hoffnung, eine Leiche aus einem Bandenkrieg oder Ähnliches zu finden –, nicht ganz überzeugend war. Sie hatte eingesehen, dass die Reichsmordkommission es bestenfalls als dämlich und schlimmstenfalls als dienstliches Versagen ansehen würde, in einer Kiesgrube außerhalb von Sigtuna nach Liquidierten zu suchen. Obwohl man vor einigen Jahren tatsächlich einmal zwei Tote im Kofferraum eines brennenden Autos auf der E6 in Halland gefunden hatte. Jennifer hätte alles darum gegeben, in dem Streifenwagen zu sitzen, der damals zuerst vor Ort war …
Diesmal war der Kofferraum leer gewesen, doch während ihrer Wartezeit hatte sie eine bessere Erklärung dafür gefunden, warum sie ihn überhaupt geöffnet hatte.
«Wir suchen nach einem vermissten Sechsjährigen. Ich wollte nur sichergehen, dass er sich nicht dort versteckt hat oder so. Es ist ja so warm», ergänzte sie noch.
Sie sah, wie Vanja Lithner von der Reichsmordkommission nickte. Ein Nicken, das Jennifer signalisierte, dass ihr Grund für das Öffnen des Kofferraums nicht nur akzeptiert wurde, sondern die Kollegin sogar ein bisschen beeindruckte.
«Weiter nichts?», fragte Vanja.
«Nein. Warum interessieren Sie sich für das Auto? War es in irgendetwas verwickelt?»
Vanja blickte die uniformierte Kollegin an. Der Ton in ihrer Stimme war nicht zu missdeuten. Erwartung an der Grenze zur Erregung.
«Haben Sie den Jungen gefunden?», fragte Vanja, um der Frage auszuweichen.
«Welchen Jungen?»
«Na, den, nachdem Sie und die Kollegen suchen.»
«Nein. Noch
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