Die Frauen, die er kannte: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)
saß?»
«Ja.»
«Wie kannst du das wissen?»
«Ich habe gerade eine Frau getroffen, die genau an der Wegbiegung da drüben wohnt.» Er zeigte auf das rote Haus, an dem sie gleich vorbeifahren würden. «Sie hat ihn hier gesehen. Gestern.»
«Du bist einfach losgegangen, um Zeugen zu befragen?»
Billy schwieg verwundert. Er hätte viele Fragen erwartet. Zum Fall. Zu Johansson und wohin er anschließend gegangen war, zu der Zeugin. Ob sie zuverlässig gewirkt hatte. Stattdessen wollte sie wissen, warum er ungefragt die Kiesgrube verlassen hatte. Obendrein mit einem kritischen Unterton in der Stimme.
«Nein, ich bin losgegangen, um mir den Weg anzusehen, und da habe ich sie getroffen.»
«Und sie gleich nach dem Auto gefragt?»
Billy seufzte. Er hatte gute Neuigkeiten.
Große Neuigkeiten.
Vielleicht sogar entscheidende Neuigkeiten.
Get your priorities straight!, dachte er.
«Nein. Ich bin den Weg entlanggelaufen», Billy tat sein Bestes, um nicht gereizt zu wirken, hörte aber selbst, dass er trotzdem wie ein Oberpädagoge klang. «Sie kam mit ihrem Hund und erkundigte sich, was wir hier machen, und ich habe wahrheitsgemäß geantwortet, woraufhin sie mir erzählt hat, dass sie zum passenden Zeitpunkt einen Mann mit einer verdammt großen Narbe im Gesicht von der Kiesgrube kommen sah. Was hätte ich deiner Meinung nach tun sollen? Sie bitten, den Mund zu halten, bis du auch da bist und zuhören kannst?»
«Nein, natürlich nicht, denn du scheinst zurzeit ja lieber Alleingänge zu machen.»
Vanja bog nach links auf die Straße ab und gab Gas. Noch mehr Kritik. Wofür eigentlich? Billy saß schweigend da und ging im Kopf durch, was bisher passiert war, nicht nur die Episode mit der Hundehalterin, sondern auch in der Zeit davor.
Was er getan hatte und was nicht.
Ihm fiel beim besten Willen nicht ein, was er falsch gemacht haben könnte. Nicht einmal, als er sich geweigert hatte, die Recherche für sie durchzuführen, wenn er ehrlich war. Er hatte einen Ehrgeiz, den er ausbauen wollte. Er wollte etwas verändern. Es war an der Zeit herauszufinden, was sie so fürchterlich wütend machte.
«Was ist eigentlich mit dir los?»
Vanja antwortete nicht, sondern schien sich weiterhin angestrengt auf die Straße zu konzentrieren. Billy ließ nicht locker.
«Sobald ich einmal nicht genau das mache, was du sagst, oder ein bisschen Eigeninitiative zeige, rastest du total aus», fuhr Billy fort. «Fühlst du dich etwa bedroht?»
«Wovon?»
Jetzt war ihr Tonfall eher amüsiert. Als müsse sie sich angesichts eines so absurden Gedankens ein kleines Lachen verkneifen. Billy richtete sich in seinem Sitz auf.
«Von mir», sagte er nachdrücklich. «Hast du Angst, ich könnte besser sein als du?»
Diesmal verkniff sie es sich nicht, sondern stieß ein kurzes, trockenes Lachen aus. «Ja. Klar. Sicher.»
Sie hatte ihren Blick weiterhin starr nach vorn gerichtet. Billy glaubte, immer noch die Andeutung eines süffisanten Grinsens in ihrem Mundwinkel zu erkennen, war sich aber nicht sicher. An der Ironie in ihren drei kurzen Worten bestand jedoch nicht der leiseste Zweifel.
«Wie meinst du das?» Jetzt versuchte er nicht mehr, seine Irritation zu verbergen. Warum sollte er auch? Jetzt war er genauso wütend.
«Was?»
«Dieses Lachen und dein ‹Ja›, ‹klar›, ‹sicher›.»
Vanja antwortete nicht sofort. Es gab mehrere Alternativen. Sie konnte weiterhin stumm bleiben und ihn und seine Fragen ignorieren. Sie konnte die Sache abtun oder sich dafür entschuldigen, dass sie so gemein geklungen hatte, und behaupten, das hätte sie nicht beabsichtigt.
Oder sie sagte es, wie es war.
«Was ich meine, ist, dass ich keine Angst davor habe, dass du besser sein könntest als ich.»
«Ach nein, und warum nicht?»
«Weil das nie der Fall sein wird.»
Billy lehnte sich in seinem Sitz zurück. Er hätte noch eine Zeitlang weiter nach dem «Warum?» und «Warum nicht?» fragen können, aber wozu? Vanja hatte ihm in aller Deutlichkeit gesagt, was sie von ihm als Polizisten hielt. Das reichte. Dem gab es nichts hinzuzufügen.
Anscheinend war Vanja derselben Meinung. Sie fuhren schweigend weiter.
H araldsson war klar, dass er mit ziemlicher Verspätung in Lörhaga ankommen würde, als er auf die Autobahn fuhr und das Gaspedal durchdrückte. Aber das war ja nicht so schlimm, redete er sich ein. Er hatte keine Stechkarte. Er war der Chef, und es war Ferienzeit. Also konnte er seine flexiblen Arbeitszeiten ruhig ein wenig
Weitere Kostenlose Bücher