Die Frauen, die er kannte: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)
aber das machte nichts. Ralph spürte vielmehr, dass ihn eine plötzliche Ruhe überkam. Das Gefühl wurde stärker, als mehrere dieser Gestalten kamen und ihn aus der Wohnung trugen. Er hatte das nächste Stadium erreicht und verstand nun den wahren Sinn der Nachricht seines Meisters.
Du bist jetzt ich.
Das war er wirklich.
V anja traf genau in dem Moment ein, als der Einsatzbus mit Ralph Svensson davonfuhr. Vom Auto aus hatte sie gesehen, wie die Kollegen einen langen, dürren Mann in Polohemd und beigen Hosen aus dem Haus getragen und auf den Rücksitz gesetzt hatten. Er leistete keinen Widerstand, sondern hing vollkommen regungslos zwischen den vier Polizisten in der Luft. Vanja sah dem davonbrausenden Auto nach, ehe sie ausstieg. Sie knallte die Autotür zu und ging zu dem Mietshaus hinüber. Sie war stinkwütend, und ihre Gemütslage besserte sich nicht, als sie Billy in seiner schusssicheren Weste lächelnd neben dem Eingang stehen sah.
«Wir haben ihn, Vanja. Er ist es!»
«Warum konntet ihr nicht auf mich warten?» Sie kam näher. «Es war mein Tipp! Ich habe den Namen bekommen.»
Billys kindliches Strahlen verschwand sofort von seinem Gesicht und wurde von derselben frostigen Miene abgelöst, die sie schon einmal erlebt hatte.
«Sprich mit Torkel. Es war seine Entscheidung.»
Er ging weg und ließ sie stehen. Ein Stück entfernt sah sie, wie Torkel sich mit dem Einsatzleiter näherte. Sie waren in ein intensives Gespräch verwickelt, und der Kollgege gestikulierte wild. Anscheinend besprachen sie den Zugriff. Vanja wollte auf sie zugehen, überlegte es sich dann aber doch anders. Sie hatte keine Lust, sich auch noch mit Torkel zu streiten. Außerdem war seine Entscheidung natürlich korrekt. Sie hätte an seiner Stelle genauso gehandelt. Es kam darauf an, dass man schnell reagierte und nicht, wer es tat.
Allerdings war der polizeiliche Aspekt nur die eine Seite. Die andere war persönlich und hatte etwas mit ihrem Platz in der Gruppe, den Rollen der Einzelnen und der Verteilung von Verantwortung zu tun. All dem, was vor diesem Fall so deutlich und einfach gewesen war. Sie sah, wie Torkel dem Kollegen die Hand gab und sie sich trennten.
«Gute Arbeit, Vanja», rief Torkel und kam zu ihr.
«Danke. Wie sicher sind wir?»
«Ursula ist gerade da. Die vorläufige Untersuchung macht sie allein, um eine Kontaminierung zu verhindern. Aber die Wohnung scheint eine echte Fundgrube zu sein.»
«Wirklich?»
Torkel nickte. Er wirkte auf beruhigende Weise entspannt. Offenbar war er bereits davon überzeugt, dass sie den richtigen Mann erwischt hatten. Vanja spürte, wie ein Teil ihrer Wut verflog und der Freude Platz machte. Möglicherweise hatten sie den Fall tatsächlich gelöst.
«Zehn identische Nachthemden, Nylonstrümpfe und eine Ledermappe mit Zeitungsausschnitten über die Morde», berichtete Torkel. «Ein Messer, das zu den festgestellten Schnittkanten passt. Und eine Wand mit Bildern von den Opfern.»
«Das ist ja großartig!», rief Vanja überrascht. Sollte es am Ende wirklich so leicht sein, Ralph Svensson der grausamen Morde zu überführen?
«Allerdings. Und Ursula hat gerade erst angefangen. Die DNA-Ergebnisse dürften höchstens einen Tag dauern, jedenfalls für einen vorläufigen Bescheid.»
Vanja nickte, und sie sahen sich beinahe liebevoll an. Sie hatten die Bedeutung dieses Augenblicks beide erfasst. Es war ein schöner Tag. Sie standen in dem langen Schatten des Hauses, aber ringsherum schien die Sonne und ließ das Gras einladend grün erstrahlen. Es war ein Gefühl, als wären sie selbst auf dem Weg in die Sonne. Weg von dem Schatten, in dem sie nun schon so lange gestanden hatten.
«Es tut mir leid, dass wir ihn ohne dich gefasst haben», sagte Torkel freundlich. «Aber wir konnten nicht länger warten.»
«Das verstehe ich», antwortete sie ohne Zögern. «Es war eine gute Entscheidung», fügte sie hinzu.
Billy kam zu ihnen herüber. Er hatte die schusssichere Weste ausgezogen. Jetzt gesellte er sich zu seinen Kollegen und betrachtete ebenfalls die Sonne und das Grün vor ihnen. «Es wird noch ein paar Stunden dauern, bis wir alle hineinkönnen, sagt Ursula.»
Die anderen beiden nickten, erwiderten aber nichts. Schweigend standen sie beisammen.
Wie eine Gruppe.
Wie ein Team.
Wie es sonst immer gewesen war.
Billys Handy unterbrach das Schweigen. Die anderen konnten unschwer erraten, dass es seine neue Freundin war, als sie seinen zärtlichen Tonfall hörten. Er entfernte
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