Die Frauen, die er kannte: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)
nicht nur das Stahltor von Lövhaga vor der Nase zugeschlagen worden. Er hatte Torkel vorhin vom Auto aus angerufen, um ihn irgendwie dazu zu bringen, Vanja aufzuhalten. Torkel war nicht ans Telefon gegangen. Hatte auch nicht zurückgerufen. Genauso wenig wie Billy. Und es war seine eigene Schuld, er hatte es sich selbst zuzuschreiben, wie feindlich sie ihm gegenüber eingestellt waren. Sosehr er es auch wollte, er konnte keinem anderen die Schuld dafür geben. Gleichzeitig hatte seine Sorge, wegen der Gefahr, in der Vanja schwebte, immer mehr abgenommen, je mehr Zeit vergangen war. Denn Vanja war schlau und würde keine unnötigen Risiken eingehen. Und Hinde wäre nicht an etwas so Banalem wie einer einfachen Geiselnahme interessiert. Nein, er hatte in der Regel größere Pläne. Fragte sich nur, welche.
Hinde kannte die Wahrheit über Vanja und ihn, das hatte Sebastian im Gefühl. Deshalb hatte er darum gebeten, Vanja treffen zu dürfen.
Würde er es ihr erzählen?
Oder wäre ihm auch das zu banal?
Sebastian hasste diese Ungewissheit. Er begann erneut zu gehen. Drehte eine Runde am Zaun vorbei und spähte hinein. Plötzlich erblickte er Vanja. Sie überquerte den Hof und ging mit schnellen Schritten auf ihr Auto zu. Sollte er ihr rufen? Winken? Oder einfach nur stehen bleiben? Was wusste sie? Sebastian beschloss, sich so groß wie möglich zu machen und sich ihr mitten in den Weg zu stellen, damit sie nicht vorbeifahren konnte. Das erschien ihm am natürlichsten. Einfach nur ein Hindernis darzustellen. Er sah, wie sie zu ihm herüberschaute, konnte in ihrem Gesicht jedoch keinerlei Reaktion lesen. Als wäre er lediglich Luft für sie. Ihr Desinteresse erfreute ihn.
Sie wusste es nicht.
Hätte sie es gewusst, dann hätte er Wut oder Abscheu gesehen, aber keine totale Gleichgültigkeit. Normalerweise hätte er sich darüber wahrscheinlich nicht so sehr gefreut, aber momentan war diese Lage eindeutig vorzuziehen. Er bemerkte, dass er unbewusst lächelte. Breit.
Sie traute ihren Augen nicht, als sie mit dem Auto an das Tor heranfuhr. Stand er dort etwa und grinste sie höhnisch an? Oder versuchte er lediglich, möglichst entspannt auszusehen? Sie wusste nicht, was sie glauben sollte. Sebastian Bergman war wirklich nicht wie andere Menschen. Aber das hatte nun keine Bedeutung mehr. Bald würde sie ihn nicht mehr sehen müssen. Sie ließ die Fensterscheibe herunter und lehnte sich hinaus.
«Tut mir leid, aber du stehst im Weg.»
Unterdessen öffnete sich automatisch die Schranke, und sie fuhr im Schritttempo auf ihn zu. Er blieb stehen und machte keinerlei Anstalten, sich zur Seite zu bewegen.
«Ich will mit dir sprechen», setzte er an.
«Aber ich nicht mir dir. Und zu einem Gespräch gehören immer noch zwei, auch wenn du dieses Prinzip nicht zu kennen scheinst.»
Sie bremste einen halben Meter vor ihm ab. Er wagte es nicht, sich zu rühren. Dann würde sie vermutlich Gas geben und verschwinden.
«Ich muss es wissen. Was wollte Hinde?»
«Er hat mir den Namen des Mörders gegeben.»
Das kleine Lächeln, das während der gesamten Konversation noch auf Sebastians Lippen gelegen hatte, verschwand sofort. Damit hatte er nicht gerechnet.
«Was? Wie meinst du das?»
«Er sagte, er wüsste, wer der Mörder ist. Ein Ralph Svensson anscheinend. Er arbeitet hier als Putzmann. Wir wissen, dass er Kontakt zu Hinde gehabt haben kann.»
«Und du glaubst ihm?»
«Ich habe keinen Grund, es nicht zu tun. Wir gehen allen Spuren nach, oder etwa nicht?»
«Warum sollte er dir das erzählen?»
«Es stellt sich wohl eher die Frage, warum er es dir nicht erzählt hat. Du bist doch der angebliche Experte. Derjenige, der weiß, wie man ihn zum Reden bringt.»
Es gelang ihr nicht, ihre Schadenfreude zu verbergen. Eigentlich versuchte sie es nicht mal.
Ohne nachzudenken, ging Sebastian zu ihr. «Und er selbst soll nichts mit der Sache zu tun haben? Glaubst du das wirklich?»
«Ich bin Polizistin. Ich glaube nicht. Ich finde etwas heraus. Und jetzt entschuldige mich.»
Sie trat aufs Gas, die Reifen griffen quietschend auf dem Asphalt, und das Auto raste davon.
Sebastian war schon wieder stehengelassen worden.
Allmählich gewöhnte er sich daran.
Er rannte zu Ursulas Wagen.
T orkel hatte die Bewilligung der Hausdurchsuchung bei Ralph Svensson erhalten, während er bereits im Auto auf dem Weg zu dessen Wohnung in Västertorp gesessen hatte. Staatsanwalt Gunnar Hallén hatte sie ihm nach einem langen Telefonat am Ende
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