Die Frauen, die er kannte: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)
unbedingt anfangen musste, seine Position in der Gruppe neu zu bestimmen, konnte sie sich auch verändern und neue Herausforderungen annehmen.
Ein Stück entfernt sah sie Sebastian stehen. Sein Blick war resigniert und müde. Er hatte neben der Garageneinfahrt auf sie gewartet, als sie aus Västberga zurückgekommen waren. Hatte sie angestarrt, als sie vorbeifuhren. Vanja hatte zunächst gehofft, dass Torkel ihn ignorieren würde, aber ihr Chef war nicht so kindisch wie sie. Sie hatten kurz angehalten, und Torkel hatte die Tür geöffnet und Sebastian in ein paar knappen Sätzen darüber informiert, dass sie Ralph Svensson gefasst hatten und jetzt eine Pressekonferenz abhalten würden. Er dürfe gerne zuhören, wenn er an den Details interessiert sei. Dann hatte er die Tür geschlossen und war weitergefahren.
Er war vielleicht nicht ganz so kindisch. Aber effektiv. Vanja begriff, dass sie Torkel auf keinen Fall zum Feind haben wollte. Niemals.
R alph sah sich in der kleinen Zelle um. Er war schon oft am Untersuchungsgefängnis von Kronoberg vorbeigegangen und hatte überlegt, wie es wohl darin aussah. Jetzt wusste er es. Ein Bett, ein Tisch mit einem Stuhl und eine Toilette. Die Möbel aus hellem Kiefernholz, die Wände zweifarbig, unten gelb und oben grau-weiß. Für die meisten war das wahrscheinlich nicht ungewöhnlich, aber er fühlte sich innerlich ganz kribbelig. Von der Straße aus wirkte das anonyme, bunkerähnliche Gebäude, das mitten auf Kungsholmen lag, ziemlich bedrohlich. Die Außenansicht verriet keinerlei Geheimnisse, da war nur eine Mauer, die die Geschichten versteckte, die sich dahinter verbargen. Aber wenn man einmal dort drinnen war, spürte man sie. Die Erinnerungen, die in den Zellenwänden hingen.
Hier hatten sie den Meister damals, vor langer Zeit hingeführt. Ralph wusste nicht, in welcher Zelle er gesessen hatte, aber das hatte auch keine Bedeutung. Er war in seine Fußstapfen getreten. Sie waren denselben Korridor entlanggegangen.
Er hatte sich ausziehen müssen, und die Wärter hatten ihm graue Häftlingskleidung aus verwaschener Baumwolle gegeben. Dann hatten sie seine Körperöffnungen nach Gegenständen abgesucht. Er hatte es genossen, denn er wusste, dass ihre grobe Gründlichkeit nur eines bedeutete – dass sie ihn fürchteten.
Er war wichtig.
Er war jemand.
Er sah es in ihren Augen, hörte es daran, wie sie über ihn sprachen. Alle fünf Minuten kontrollierten sie ihn durch die kleine Luke in der Stahltür. Entweder fürchteten sie, er könnte sich umbringen, oder sie waren einfach nur neugierig. Der wahre Grund war ihm egal. Er genoss ihre Aufmerksamkeit, und Selbstmord zog er in keiner Weise in Erwägung, denn das wäre eine Niederlage. Jetzt fing es doch erst an, das richtige Match. Bald würden sie kommen und ihn zu seinem ersten Verhör führen. Das würde mindestens einen Tag dauern, so war es beim Meister auch gewesen. Sie würden genau vorbereitet sein, um den Tatverdächtigen mit den überwältigenden Beweisen zu überführen. Ihn direkt aus dem Gleichgewicht bringen wollen. Aber er war bereit. Er hoffte nur eines: Dass ihm Sebastian Bergman im Verhörraum gegenübersitzen würde. Was für eine Vorstellung, denjenigen treffen zu dürfen, den auch der Meister traf. Am eigenen Leib zu spüren, wie Sebastian Bergman sich tief in sein Gehirn zu bohren versuchte, um die Sachen herauszuholen, die er so gern erfahren wollte.
Das Geständnis.
Sie würden zusammen einen Tanz vollführen, Sebastian und er. Lange, hoffte Ralph. Genau wie der Zweikampf, den Sebastian und der Meister einmal ausgefochten hatten.
Ralph lächelte vor sich hin. Er war so weit gekommen. Hatte gelernt, mit dem Messer, dem Blut und den Schreien umzugehen. Jetzt würde er lernen, seinem Gegner in der Realität zu begegnen. Plötzlich spürte er, wie er auf eine Weise erregt wurde, die er nie zuvor erlebt hatte.
Sexuell.
Es pulsierte in seinem Körper, und er konnte kaum stillsitzen. Tastete nach seinem Penis, der steif war. Es war ihm egal, was sie durch ihre Luke sehen konnten. Er dachte nur an eines. Wenn Sebastian ihm nicht im Verhörraum gegenübersäße, wäre er sehr enttäuscht.
In mehrfacher Hinsicht.
D ie Pressekonferenz hatte angefangen. Das laute Stimmengewirr verstummte sofort, als der Staatsanwalt seine Rede begann. Sebastian hatte sich so nah wie möglich an den Ausgang gestellt. Er ging im Kopf seine Möglichkeiten durch. Man hatte ihn von dem Fall ausgeschlossen, das war ziemlich
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