Die Frauen, die er kannte: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)
Gefühl, dass sie Sebastian bereits ermüdet hatte und er nach einem Anlass suchte, sich von ihr zu verabschieden, dass ihre Begegnung also bald zu Ende sein würde. Sie atmete schwerer. Spürte einen leichten Anflug der Panik, die ihrer tiefen Angst entsprang, dass sie, was auch immer sie tat, zur Einsamkeit verdammt sein würde.
Doch da wandte er sich erneut ihr zu, das charmante Lächeln wieder auf den Lippen.
«Und warum sind Sie hier?», fuhr sie in einem Ton fort, der ihr sehr natürlich und ungezwungen vorkam.
«Stefan war der Meinung, mir würde das etwas bringen.»
«Und wie kam er darauf? Was ist mit Ihnen?»
Sebastian sah sich hastig um, ehe er antwortete. «Ich glaube, so weit sind wir noch nicht.»
«Nicht?»
«Nein, aber vielleicht kommen wir noch dahin.» Die Direktheit in seiner Antwort überraschte und erfreute sie.
«Sie meinen hier, in der Gruppe?»
«Nein, ich meinte woanders, nur Sie und ich.»
Sein Selbstbewusstsein faszinierte sie. Sie konnte sich das Lächeln nicht verkneifen. Gleichzeitig erwiderte sie mutig seinen Blick. «Wollen Sie etwa mit mir anbandeln?»
«Vielleicht ein bisschen. Stört Sie das?»
«Die meisten kommen nicht unbedingt hierher, um jemanden kennenzulernen.»
«Na wunderbar, dann habe ich weniger Konkurrenz», antwortete er und trat einen kleinen, aber deutlichen Schritt auf sie zu. Sie konnte sein Aftershave riechen.
Er senkte seine Stimme. «Aber ich kann gerne verschwinden, wenn Sie finden, dass ich die Grenzen des Anstands überschritten habe.»
Annette ergriff die Chance. Sie berührte seine Schulter und begriff in diesem Moment, wie lange sie schon keinen anderen Menschen mehr angefasst hatte.
«Nein, das ist nicht nötig. Nur, damit Sie es wissen: Ich bin auch eine gute Zuhörerin.»
«Daran habe ich keine Zweifel. Aber ich habe keine Lust zu reden.»
Auch diesmal hielt sie seinem Blick stand. Sein Mut machte auch sie mutig.
Sebastian nickte Stefan zu, als er zusammen mit Annette den Raum verließ.
Es war ein bisschen zu leicht gewesen.
Aber es würde wohl funktionieren.
Sie nahmen ein Taxi und fingen schon nach wenigen Minuten an, sich zu küssen, aber Annettes Küsse waren zaghaft, und sie vermied jede Bewegung ihrer Zungen. Sie fühlte sich unbeholfen und unsicher. Ihr war bewusst, dass er das bemerkte. Aber sie konnte sich einfach nicht fallenlassen und darauf vertrauen, dass der Mann, der ihren Nacken streichelte, sie wirklich haben wollte. Vielleicht würde er seinen Kuss unterbrechen und sie ansehen. Nicht warm und lustvoll, sondern verächtlich und kalt. Sie wieder anlächeln, aber diesmal voller Bosheit. Annette fragte sich, was sie ihm eigentlich geben konnte, aber die Antwort war selbstverständlich: Nichts. Wenn sie sich ihm nicht hingeben würde, würde sie sich selbst einreden können, dass es ihr nicht wichtig war. Dann würde es weniger wehtun, wenn er sie verließ. Das hatte schon einmal funktioniert.
Sebastian spürte, wie Annette erstarrte, als seine Hand über ihren Körper fuhr. Aber sie schob sie nicht weg. Eine Sexualneurotikerin, dachte Sebastian müde und überlegte kurz, ob er aus dem Auto springen und sich davonmachen sollte. Aber gleichzeitig hatte Annette auch etwas Verlockendes an sich. Ihre Verletzlichkeit machte ihn an. Sie brachte ihn dazu, seine eigene Dünnhäutigkeit für einen Moment zu vergessen und befeuerte sein Ego. Eigentlich war es ihm scheißegal, ob sie sich entspannen und es genießen konnte. Er folgte ihr schließlich nicht ihretwegen. Sie war lediglich eine Zerstreuung für ihn.
Ein halbwegs guter Abschluss eines ansonsten beschissenen Tages.
Ein Teil seines Racheplans.
Er küsste sie erneut.
Ihre Wohnung lag in Liljeholmen, fünf Minuten von dem neuen Einkaufszentrum entfernt und mit Blick auf die Stadtautobahn. Erst, als sie dort ankamen, schien sie sich etwas entspannen zu können. Im Wohnzimmer war es staubig, überall lagen Klamotten herum. Annette entschuldigte sich, räumte hastig das Bett frei und eilte mit den Sachen im Arm aus dem Zimmer.
«Meinetwegen musst du nicht aufräumen», rief ihr Sebastian hinterher, setzte sich auf das Bett und zog sich die Schuhe aus.
«Ich wusste ja nicht, dass ich Besuch bekommen würde», hörte er sie von nebenan. Er sah sich im Zimmer um. Es war ein normales Wohnzimmer, allerdings mit Details, die etwas über seine Bewohnerin verrieten. Da war zum einen ein etwas größeres Einzelbett, das an der Wand unter dem Fenster stand. Dabei hatte
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