Die Frauen, die er kannte: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)
Sebastian, als er die Wohnung betrat, gesehen, dass es noch ein weiteres Zimmer gab. Warum schlief sie nicht dort? Sie hatte gesagt, sie würde allein leben. Und am Briefkasten stand nur ein Name.
Zum anderen gab es da die Stofftiersammlung in den Regalen. Tiere in allen Größen und Farben. Bären, Tiger, Delfine, Kätzchen. Stofftiere und etwas zu viele Kissen, Überwürfe und Decken. Der gesamte Raum signalisierte eine Sehnsucht nach Geborgenheit, den Wunsch nach einem schützenden, weichen und freundlichen Kokon, in den die kalte und harte Wirklichkeit nicht vordringen konnte. Sebastian betrachtete sich selbst in dem Spiegel, der an der Wand lehnte. Sie hatte die kalte, harte Wirklichkeit gerade zu sich eingeladen. Sie wusste es nur noch nicht.
Sebastian grübelte ein wenig, welche Ereignisse in ihrem Leben wohl dieses mangelnde Selbstbewusstsein und das übertriebene Schutzbedürfnis ausgelöst haben mochten. Ein Trauma, eine schlechte Beziehung, eine falsche Lebensentscheidung? Oder gab es da Schlimmeres, Übergriffe, ein gestörtes Verhältnis zu den Eltern? Er wusste es nicht und hatte auch keine Lust, es herauszufinden. Alles, was er wollte, war Sex und ein paar Stunden Schlaf.
«Kann ich den Spiegel woanders hinstellen?», fragte er und hob ihn hoch. Irgendetwas erschreckte ihn an der Vorstellung, sich selbst mit ihr in diesem Zimmer beim Sex zu sehen. Die Lust an erotischen Experimenten war ihm vergangen, und er sah ein, dass er es vorziehen würde, wenn sie unter die Decke kriechen und das Licht löschen würden, ehe sie weitermachten.
«Stell ihn in den Flur», rief sie aus einem Raum, der vermutlich das Bad war. «Ich hole ihn immer nach nebenan, wenn ich Kleider anprobiere.»
Sebastian trug ihn in den Flur und fand schnell den Nagel, an dem er normalerweise hing.
«Magst du Kleider?»
Sebastian drehte sich um, als er erneut ihre Stimme hörte, die jetzt aber ganz anders klang. Sie hatte sich umgezogen, trug ein aufregendes schwarzes Spitzenkleid und hatte einen dunklen Lippenstift aufgelegt. Mit einem Mal sah sie aus wie eine völlig andere Frau. Wie eine, die auffiel.
«Ich liebe Kleider», sagte sie.
Sebastian nickte. «Das steht dir gut. Richtig gut.» Er meinte es ernst.
«Findest du? Es ist mein Lieblingskleid.» Sie ging auf ihn zu und küsste ihn. Sebastian erwiderte den Kuss, aber jetzt war sie es, die ihn verführte. Und er ließ es zu. Sie nahm sich, was sie brauchte. Er versuchte, ihr das Kleid auszuziehen, aber sie wollte es anbehalten. Offenbar war es wichtig für sie.
In diesem Kleid Sex zu haben.
U rsula war auf den letzten Seiten des vorläufigen Berichts zur Obduktion von Katharina Granlund angelangt, den sie nun zum dritten Mal studierte, als Robert Abrahamsson an den Türrahmen des Besprechungsraums klopfte und seinen wohlfrisierten Kopf hereinstreckte. Er war derjenige Chef aus der Fahndungsgruppe, den sie am wenigsten ausstehen konnte.
«Verdammt noch mal, jetzt kümmert euch endlich mal selbst um euren Kram!»
Fragend sah Ursula von ihrer Lektüre auf.
«Jetzt rufen die Journalisten sogar schon bei mir an», fuhr Abrahamsson fort. «Sie beschweren sich, dass ihr nicht mal ans Telefon geht.»
Ursula sah den etwas zu sonnengebräunten Mann in dem etwas zu engen Jackett irritiert an. Sie hasste es, wenn sie bei der Arbeit gestört wurde. Besonders von diesem eitlen Gecken Robert Abrahamsson. Auch, wenn er dazu befugt war. Also antwortete sie so knapp wie möglich. «Regle das bitte mit Torkel. Er kümmert sich um die Presse. Das weißt du doch.»
«Und wo steckt der?»
«Keine Ahnung. Du musst ihn wohl suchen.»
Ursula widmete sich wieder ihrem Bericht und hoffte, Robert damit deutlich genug signalisiert zu haben, dass er verschwinden sollte. Doch der ging stattdessen entschlossen auf sie zu.
«Ursula, du hast sicher wahnsinnig viel zu tun, aber wenn die Leute anfangen, mich wegen eures Falls anzurufen, kann das nur zwei Ursachen haben: Entweder ihr kommuniziert nicht ausreichend mit ihnen, oder sie haben irgendeinen neuen Anhaltspunkt gefunden, dem sie jetzt nachgehen wollen. In diesem Fall trifft wahrscheinlich beides zu.»
Ursula seufzte müde. Sie war diejenige im Team, die grundsätzlich alles ignorierte, was die Zeitungen schrieben. Denn sie wollte möglichst wenig Zusatzinformationen haben, die ihre Fähigkeit zur rationalen Analyse von Beweisen beeinträchtigen konnten. Trotzdem begriff sie, dass diese Angelegenheit nicht besonders schön war. Die
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