Die Frauen, die er kannte: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)
und schnitt den anderen Teil ihres Lebens einfach ab. Torkel war ein Profi, sodass ihr Verhalten keinen Einfluss auf die Zusammenarbeit mit ihm hatte. Anfangs hatte sie zwar Torkels Blicke gespürt, aber je weniger Ursula sie erwiderte, desto seltener wurden sie. Das stärkte sie in ihrem Gefühl, das Richtige zu tun.
Aber sie musste doch an ihn denken.
Mehr und mehr.
Ursula ging in den Besprechungsraum zurück, suchte ihre Sachen und den Obduktionsbericht zusammen und nahm den Aufzug zur Tiefgarage. Die Lust auf Überstunden war ihr vergangen. Sie musste diese Angelegenheit mit Weber rasch an Torkel abgeben, damit sie ihm Kopfschmerzen bereitete, nicht ihr. Das entsprach dem unverrückbaren Kommunikationsprinzip der Ermittlergruppe. Nur eine Person äußerte sich der Presse gegenüber. Immer Torkel. Die anderen Abteilungen hatten eigene Pressesprecher, aber Torkel hatte das abgelehnt. Er wollte die volle Kontrolle behalten.
Die Neonröhren in der Garage blinkten automatisch auf, als Ursula die schwere Stahltür öffnete und zu ihrem Wagen hinüberging, der ein Stück entfernt parkte. Sozusagen für sich allein. Mitten in der Nacht, mitten im Sommer.
Sie schloss auf, setzte sich, steckte den Autoschlüssel in das Zündschloss und drehte ihn um. Der Wagen sprang sofort an.
Sie wollte Torkel nicht anrufen. Nicht heute Abend. Das erinnerte sie zu sehr daran, wie es früher gewesen war. An Hotels in fremden Städten. Er würde es falsch verstehen. Glauben, dass sie wegen etwas anderem anrief. Sie stellte den Motor ab. Blieb eine Weile unbeweglich sitzen und hing ihren Gedanken nach. Aber hatte das irgendeine Bedeutung? Sollte er es doch glauben. Er konnte glauben, was er wollte. Es ging um eine berufliche Angelegenheit. Sonst nichts. Sie beschloss, einfach eine SMS zu schreiben. Holte ihr Handy aus der Tasche und tippte schnell:
«Weber v. Expressen will uns sprechen. Hat anscheinend schon mehrm. angerufen lt. R. A. v. d. Fahndung.» Ursula drückte auf «Senden» und legte das Handy neben sich auf den Sitz, aber es blieb stumm. Sie musste daran denken, was Mikael vor einigen Tagen zu ihr gesagt hatte.
Immer muss es nach dir gehen, alles muss nach deinen Bedingungen ablaufen, Ursula.
Das stimmte nur bedingt. Sie hatte wirklich versucht, sich zu ändern. Hatte sogar mit ihrem Liebhaber Schluss gemacht.
Eigentlich zunächst nicht wegen Mikael, sondern weil sie wütend und enttäuscht gewesen war. Später dann aber doch ihm zuliebe. Weil er es verdiente.
War es wirklich so? Sie lehnte sich im Sitz zurück und starrte ausdruckslos durch die Windschutzscheibe in die triste Garage. Nach einer Weile gingen die Neonröhren aus. Sie reagierten auf einen Bewegungsmelder. Ursula saß allein in der fast pechschwarzen Garage, in der die einzigen Lichtquellen die grünen Notausgangschilder in jeder Ecke und das Display des Handys neben ihr waren. Es verbreitete einen schwachen blassblauen Schein im Wageninneren. Nach einer Weile erlosch es ebenfalls, und es wurde vollkommen dunkel. Mikaels Worte hallten in ihr nach.
Nach deinen Bedingungen.
Alles nach deinen Bedingungen.
Aber sie hatte sich tatsächlich darum bemüht, mit ihrem Mann zu einer echten Partnerschaft zu finden. In der die Bedingungen gleichberechtigt von beiden gestellt wurden. Wochenendreisen. Abendessen. Schaumbäder. Doch in Wahrheit war alles, was an der Oberfläche nett, romantisch und entspannend schien, viel zu seicht für sie. Während ihrer letzten Reise nach Paris war ihr das besonders aufgefallen. Sie waren Hand in Hand durch die Straßen flaniert und hatten geredet. Hatten lange Spaziergänge auf romantischen Boulevards unternommen, waren in der touristisch-charmanten Sacre Cœur umhergestreift und hatten mit einem alten Restaurantführer in den Händen nach romantischen Bistros gesucht.
All das, was man in Paris unternehmen sollte.
All das, was man als Paar erlebt haben musste.
Aber das war nicht sie.
Sie war eine Person mit Ecken und Kanten in einer watteweichen Welt. Hatte eine Form, die nicht so ganz in das passte, was man Beziehung nannte. Sie brauchte Distanz. Sie brauchte Kontrolle. Manchmal auch Nähe. Aber nur manchmal. Wenn sie es wollte. Aber dann brauchte sie sie wirklich. Richtig. Das war genau das, was Mikael gemeint hatte. Mikael. Er kannte sie so gut.
Sie wurde aus ihren Gedanken gerissen, als das Licht erneut anging und sie sah, wie Robert Abrahamsson mit seiner Aktentasche unter dem Arm die Garage betrat. Sogar die Art und
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