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Die Frauen, die er kannte: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)

Die Frauen, die er kannte: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)

Titel: Die Frauen, die er kannte: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Hjorth , Hans Rosenfeldt
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mitkommst. Deine Gruppentherapie beginnt in einer halben Stunde.»
    Sebastian blickte ihn noch wütender an. «Gibt es denn gar keine Regeln mehr, an die du dich hältst? Was ist mit dem Gebot der Freiwilligkeit?»
    «Das gilt nicht für Männer mittleren Alters, die im Gestrüpp stehen und jungen Frauen nachspionieren, von denen sie behaupten, sie seien ihre Töchter. Kommst du jetzt?»
    Sebastian schüttelte den Kopf. Ihm wurde innerlich ganz kalt. Seine Welt erschien ihm immer zerbrechlicher. Er fühlte sich beschämt und nackt und hätte nichts lieber getan, als zum Gegenangriff überzugehen. Aber gleichzeitig gelang es dem Mann vor ihm irgendwie, dass Sebastian sich in diesem Moment mit den Augen eines anderen wahrnahm, und wie er die Wahrheit auch drehte und wendete, so blieb die Antwort immer dieselbe.
    Er war bei Trolle gewesen.
    Er war hierhergegangen.
    Er war verloren.
    «Ich bitte dich, Stefan. Geh jetzt einfach. Lass mich in Ruhe.»
    Stefan verließ die freie Fläche und betrat die schattige kleine Welt, in der Sebastian sich versteckte. Er nahm seine Hand. «Ich bin nicht hier, um dich unter Druck zu setzen. Ich bin nicht hier, damit es dir schlechtgeht. Ich bin deinetwegen hier. Wenn du wirklich willst, dass ich gehe, dann tue ich es. Aber insgeheim weißt du, dass ich recht habe. Du musst aus dieser Sache rauskommen.»
    Sebastian sah seinen Therapeuten an und zog wortlos seine Hand zurück.
    «Ich gehe in keine Gruppe. So viel Stolz habe ich noch.»
    «Ach, hast du?» Stefan betrachtete ihn ernst. «Sieh dich doch mal um, Sebastian. Guck mal, wo wir hier sind.»
    Sebastian versuchte gar nicht erst, ihm zu antworten.
    Nicht einmal ihm fiel jetzt noch ein Ausweg ein.

L etzte Woche habe ich doch erzählt, ich würde versuchen, die Garage aufzuräumen, damit das Auto wieder reinpasst. Und eine Menge aussortieren. Glaubt ihr etwa, ich hätte das geschafft?» Der Mann, den die anderen Stig nannten und der Sebastian gegenübersaß, redete nun schon seit über zehn Minuten. Trotzdem schien er noch lange nicht fertig zu sein. Er lamentierte immer weiter, als würde sein gewaltiger Körper eine unendliche Fülle von Worten bergen.
    «Ich hatte einfach nicht die Energie dafür. Ich kann mich zu nichts aufraffen. Allein schon, nach dem Essen abzuwaschen oder den Müll rauszubringen, sind enorme Projekte für mich. Und ihr wisst ja, wie es ist, wenn man sich so fühlt. Man kommt einfach nicht weiter …»
    Sebastian nickte. Nicht, weil er dieses Gefühl teilte, vielmehr hatte er den fetten Mann schon längst als uninteressant abgeschrieben und nach dreißig Sekunden nicht mehr zugehört. Aber wenn er nickte, kapierte dieses Ungetüm von Mensch vielleicht endlich, dass seine Botschaft angekommen war und es nicht noch mehr Beispiele anbringen musste, um der Gruppe seine völlige Initiativlosigkeit zu veranschaulichen. Dieser bunten Ansammlung gescheiterter Individuen, die Sebastian, Stefan zufolge, retten konnte. Vier Frauen und zwei Männer, wenn er Stefan und sich selbst nicht mitzählte. Stig holte tief Luft und wollte seinen Sermon gerade fortsetzen, als Stefan ihn unterbrach. Sebastian verspürte eine tiefe Dankbarkeit, auch wenn er noch immer stinkwütend auf ihn war.
    «Aber man hat ja auch eine leichte Depression bei dir festgestellt. Warst du beim Arzt und hast dir Tabletten verschreiben lassen?»
    Stig schüttelte den Kopf und schien sich für eine Sekunde damit zufriedenzugeben. Doch dann folgte ein weiterer dieser tiefen Atemzüge, die Sebastian bereits nach einer Viertelstunde zu hassen gelernt hatte.
    Der Atemzug wurde zu einem Laut.
    Der Laut formte sich zu Worten, allzu vielen Worten.
    «Eigentlich will ich ja keine Tabletten nehmen. Einmal habe ich es versucht, und dann hatte ich diese Nebenwirkungen …»
    Sebastian schaltete ab und gähnte. Wie hielten sie das bloß aus? Die anderen, die schweigend um den Dicken herumsaßen. Teilten sie Sebastians Frustration, oder warteten sie nur auf ihre eigene Chance, tief Luft zu holen und anschließend viel zu lange über ihr uninteressantes Leben zu referieren? Denn sie konnten sich doch wohl nicht ernsthaft um die banalen Probleme der anderen scheren? Sebastian versuchte, Stefan mit einem zornigen bis flehenden Blick zu erreichen, aber Stefan schien voll und ganz damit beschäftigt, Stig zuzuhören. Stattdessen wurde Sebastian schließlich von einer schmalen, fast unsichtbaren Frau in weißer Bluse und Jeans gerettet, die ihm gegenübersaß. Sie beugte

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