Die Frauen, die er kannte: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)
Reichsmordkommission wollte so lange wie möglich vermeiden, dass die drei Frauenmorde miteinander in Zusammenhang gebracht wurden und sensationslüsterne Schlagzeilen vom Typ «Serienmörder in Stockholm» machten. Es gehörte zu Torkels strategischen Grundpfeilern, den Journalisten möglichst wenig Anlass zu Spekulationen zu geben. Wenn die Presse erst einmal auf den Plan trat und ihre Jagd eröffnete, konnte alles passieren. Besonders intern. Leicht wurde ein Fall plötzlich zum Politikum, und politische Einflussnahme konnte für eine Ermittlung verheerend sein. Denn dann hieß es «tatkräftig handeln» und «Resultate bringen», was schlimmstenfalls bedeutete, dass man weniger an die Beweismenge dachte als daran, im Sinne der oberen Etagen zu handeln.
«Wer war es denn?», fragte sie. «Gib mir die Nummern, dann sorge ich dafür, dass Torkel sie anruft.»
«Es ist nur einer. Bislang. Axel Weber vom Expressen .»
Ursula ließ den Namen sacken und lehnte sich mit einem aufgesetzten Lächeln in ihrem Stuhl zurück. «Weber, sieh an! Aber dann gibt es ja doch einen Grund, warum er gerade dich anruft, oder?»
Robert lief dunkelrot an. Er hob seinen Zeigefinger, eine Geste, die ihn aussehen ließ wie einen Oberlehrer aus einem Paukerfilm.
«Du weißt, dass das ein Missverständnis war. Und der Polizeipräsident hat meine Erklärung akzeptiert.»
«Da war er weit und breit der Einzige.» Ursula beugte sich wieder vor, mit einem Mal ernst. «Du hast Weber geheime Informationen zugespielt. Aus einem Mordfall!»
Robert sah sie trotzig an. Er dachte nicht daran, einzuknicken. «Denk doch, was du willst. Wir leben immerhin im 21. Jahrhundert, da muss man schon lernen, mit der Presse zusammenzuarbeiten. Besonders in komplizierten Fällen.»
«Besonders, wenn man als Dank für seine Bemühungen auf Seite 7 mit einem Foto gewürdigt und als Held gefeiert wird.» Ursula hielt kurz inne, ihr war bewusst, dass sie sich gerade kleinlich und schäbig verhielt, konnte sich jedoch nicht bremsen. «Das Jackett erkenne ich wieder», fuhr sie fort, «aber damals musst du irgendwie schlanker gewesen sein. Du solltest darauf achten, was du in dich hineinstopfst. Du weißt, dass man vor der Kamera fünf Kilo dicker aussieht.»
Robert knöpfte sein Jackett auf. Sie sah, wie sich seine Augen vor Wut verdunkelten und er sich für einen Gegenangriff bereitmachte. Aber dann gelang es ihm, die größte Entrüstung zu schlucken, und er drehte sich um und ging zur Tür.
«Ich fand nur, ihr solltet es wissen», sagte er noch.
Aber Ursula ließ nicht locker.
«Das ist nett von dir, Robert. Und wenn Weber irgendetwas Internes preisgibt, wissen wir auf jeden Fall schon mal, woher er es hat.»
«Ich weiß nichts über euren Fall.»
«Du bist hier. Du hast das Whiteboard gesehen.»
Robert verließ den Besprechungsraum. Ursula hörte, wie er wütend den Korridor entlangstampfte, bis er hinter der Glastür verschwunden war. Sie stand auf, ging zur Tür, um sich zu vergewissern, dass er auch wirklich weg war, und spazierte dann den Flur entlang, vorbei an fast menschenleeren Büroräumen. Vielleicht steckte ja nichts dahinter, aber sie wollte Torkel doch die Möglichkeit geben zu reagieren. Sein Büro war leer. Seine Jacke hing nicht mehr am Haken, und der Computer war ausgeschaltet. Wie viel Uhr war es eigentlich? Sie sah auf ihr Handy. 23.25 Uhr. Sie müsste Torkel anrufen. Aber das widerstrebte ihr. Es war zwar idiotisch, lächerlich und albern. Aber es widerstrebte ihr wirklich.
Ihm im Büro über den Weg zu laufen machte ihr nichts aus, und mit ihm zusammenzuarbeiten war auch kein Problem. Ihn am späten Abend anzurufen dagegen schon. Es war unlogisch, aber sie hatte ihre Gründe, auch wenn sie sich selbst dafür hasste.
Normalerweise ging es, wenn sie ihn abends anrief, nicht um den Job. Außer sie hatten einen neuen Mordfall, oder es gab einen technischen Durchbruch in einer laufenden Ermittlung. Das war hier nicht der Fall. Die Sache mit Weber konnte sie Torkel auch morgen erläutern. Wenn sie ihn abends anrief, dann nur, weil sie ihn haben wollte. In ihrem Hotelzimmer. Oder in seinem. Sie rief ihn an, wenn sie ihn brauchte.
Und deswegen zögerte sie jetzt auch. Brauchte sie ihn? In der letzten Zeit hatte sie begonnen, sich das zu fragen. Es war ihr leichter gefallen als gedacht, sich aus ihrer heimlichen Affäre zurückzuziehen, und anfangs war es sogar befreiend gewesen. Einfacher. Sie konzentrierte sich auf ihren Mann Mikael
Weitere Kostenlose Bücher