Die Frauen, die er kannte: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)
voranbringen würde, anstatt ihn lediglich aufzubauschen. Aber diesmal war es keineswegs so. Sie hatten nichts. Waren keinen Schritt weitergekommen. Im besten Fall würden sie durch die öffentliche Aufmerksamkeit ein paar Hinweise erhalten. Denn einer Sache war Torkel sich sicher. An dem Tag, an dem die ersten Schlagzeilen erschienen, würde eine Person unter Garantie jeden einzelnen Artikel lesen, jeden Bericht sehen, jede Diskussion verfolgen: der Serienmörder selbst. Ihr Nachahmungstäter. Sie konnten ihn locken. Seine Hybris kitzeln. Ihn dazu bringen, einen Fehler zu begehen …
Wunschdenken.
Torkel schloss das Fenster der Suchmaschine und räkelte sich. Es war ein arbeitsreicher Tag gewesen.
Zu viele Fragen, zu wenige Antworten.
Seine Gedanken wanderten weiter. Zu den Töchtern, zu dem Sommerhaus und was er damit machen würde, wenn die beiden Mädchen bald nicht mehr mit dorthinfahren wollten. Es war vor allem Elin, die schon jetzt dagegen protestierte, die letzten Wochen der Sommerferien dort zu verbringen. Aber Vilma würde wohl auch bald Sturm dagegen laufen. Sie war nun ein Teenager. Vor dieser Zeit hatte Torkel sich immer gefürchtet. Vor den Jahren, in denen sie anfingen, groß zu werden. Lieber mit ihren Freunden zusammen sein und ihr eigenes Leben führen wollten, fernab ihres alten Vaters und seines viel zu kleinen Ferienhauses in Östergötland. Das war ganz natürlich. Darum ging es ja in der Erziehung, dass sich die Kinder zu eigenständigen Individuen entwickelten. Torkel wusste, dass ihm das gelungen war. Aber es machte die Sache trotzdem nicht leichter.
Denn es war nicht nur das. Er hatte sonst niemanden, der mit ihm in das Haus fahren wollte. Oder irgendwo anders hin. Yvonne hatte Kristoffer. Nicht dass sie eine Alternative für zwei Wochen am Boren-See gewesen wäre, aber Yvonnes neue Beziehung machte ihm noch deutlicher, dass er allein war. Vollkommen allein.
Torkel erhob sich steif von seinem Schreibtisch und drehte eine Runde durch die Wohnung. Was er sah, gefiel ihm nicht. Es war staubiger als sonst, und er beschloss, trotz der späten Stunde zu putzen. In erster Linie, um seine Gedanken zu zerstreuen, aber auch, weil er sich für die Unordnung schämte. Im Grunde war er ein sehr ordentlicher Mensch, aber die brutale Mordserie hatte all seine Zeit in Anspruch genommen. So war es immer. Man konnte es seiner Wohnung sofort ansehen, wenn die Arbeit seinen vollen Einsatz forderte. Wenn die richtig komplizierten Fälle auf seinem Schreibtisch landeten, verkam sein Zuhause enorm schnell. Jedenfalls seit er geschieden war.
Nachdem er bei der Reichsmordkommission angefangen hatte, war es ein wenig besser geworden, und das aus einem einfachen Grund. Sein Team arbeitete dort, wo es gebraucht wurde, in ganz Schweden. Die Idee dahinter war, dass die Reichspolizei eine Spezialeinheit bekam, die bei der Aufklärung von komplizierten Mordfällen half, für die den Polizeibehörden vor Ort die Ressourcen fehlten. Dadurch war Torkel oft unterwegs und wohnte während der intensivsten Arbeitsperioden im Hotel, wodurch seine Wohnung vorm Verfall bewahrt wurde. Aber diesmal war es nicht so. Diesmal war Stockholm betroffen. Und zwar auf das schlimmste. An Ordnung in der Wohnung war daher nicht zu denken gewesen, aber jetzt hatte er die Wahl zwischen Putzen und dem Versuch, etwas Schlaf zu finden.
Er entschied, mit der Küche anzufangen. Die Reste vom Abendessen mit den Töchtern in der letzten Woche standen noch immer in und neben der Spüle, die Zeitungen und Briefe mehrerer Tage lagen über den Küchentisch verstreut. Er kam schnell in Schwung, und nach einer halben Stunde war er mit der Küche zufrieden. Also ging er ins Wohnzimmer und putzte dort. Räumte den Sofatisch und die Sessel frei und wollte gerade die Post durchgehen, als es an der Wohnungstür läutete. Er warf einen Blick auf die Uhr. Es war wirklich spät, also sah er erst durch den Spion, bevor er öffnete.
Da stand sie.
Verwundert öffnete er die Tür und stammelte ein Hallo, als er sie hereinließ. Sie trat in den Flur. Torkels erster Gedanke war, dass er glücklicherweise gerade die schlimmste Unordnung beseitigt hatte. Vermutlich wäre es ihr egal gewesen, aber dennoch. So hatte er ein besseres Gefühl. Sie sah ihn an und ging an ihm vorbei ins Wohnzimmer.
«Hast du meine SMS bekommen?»
«Ja.»
«Weber hat versucht, dich zu erreichen.»
«Ich weiß. Ich habe ihn schon zurückgerufen.»
«Gut.»
Torkel stand in der
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