Die Frauen von Bramble House
und machte die Augen zu, und ich sage: ›Das ist gut, schlafen Sie ein bißchen …?‹, und dann fiel ihre Hand einfach so runter neben sie. Peggy … sie ist tot.«
Peggy trat langsam ans Bett und hob widerwillig die Hand ihrer Urgroßmutter hoch und tastete nach dem Puls. Aber da war keiner mehr. Dann schob sie die Augenlider hoch. Ja … sie war tot, wirklich tot.
»Soll ich Richard raufholen?«
Peggy fuhr herum, und auf einmal wirkte sie wieder sehr lebendig. »Nein! Nein, keiner von ihnen darf etwas davon wissen! Dieses Weib wird ihnen nicht den Aufbruch in ihr eigenes Leben verderben! Man könnte meinen, sie hat es absichtlich getan. Hör zu, ich gehe und sage Emma, daß sie schläft und daß es besser ist, sie nicht zu wecken.«
»Aber wenn sie reinkommen und sich verabschieden will?«
»Das wird sie nicht, wenn ich es verhindern kann! Aber hör zu!« Sie wandte sich wieder dem Bett zu und schob die erschlafften Arme unter die Decke, dann stopfte sie die Decke unter das erschlaffte Kinn, und dann wandte sie sich wieder May zu und sagte: »Laß sie so liegen und … setz dich am besten da hin, falls sie doch reinschauen will, und dann kannst du sagen …«
»Ach, mein Gott, Peggy, ich kann doch nicht da neben ihr sitzen.«
»Sie ist tot, May. Sie kann dir nichts mehr tun. Und du sitzt doch schon den ganzen Tag bei ihr.«
»Ja. Ja, natürlich. Es ist bloß der Schock. Also, geh schon und tu, was du mußt.«
Als fünf Minuten später die Tür aufging und Emma und Peggy da standen, erhob May sich von ihrem Stuhl und kam zu ihnen geschlichen. »Ich würde sie jetzt nicht stören … sie …« Sie schluckte. »Sie ist grad eingeschlafen. Ich … ich würde sie nicht wecken.« Und sie drängte beide zurück auf den Korridor. Und Emma sagte: »Aber, wird sie denn nicht giftig werden, Tante May, wenn ich ihr nicht adieu sage?«
»Ach, also … du …« May konnte ihr Stottern kaum unter Kontrolle bringen. »… also, du weißt doch, daß sie sich über alles giftet. Aber … ich werde es … ihr erklären. Aber, du siehst wirklich bezaubernd aus, Kind. Ich komme mit euch runter, um euch nachzuwinken.«
Emma lachte. »Ich wette, du bist noch nicht unten an der Treppe angekommen, ehe sie nach dir klingelt.«
May und Peggy warfen sich Blicke zu. Peggy sagte: »Also, dann kommt schon ihr zwei. Richard stampft da drunten herum wie ein ungeduldiges Pferd.«
Sie waren die Treppe erst zur Hälfte hinabgestiegen, als Emma innehielt und ihre Mutter ansah. »Ach, Mutter, Mutter, ich … bin ja so glücklich!« Und sie schlang die Arme um Peggy, und Peggy flüsterte atemlos: »Paß auf, sonst wirfst du uns noch die Treppe hinunter, und wir landen auf unserm Hintern.« Und dann setzte sie mit brüchiger Stimme hinzu: »Also, jetzt los, geh schon.«
Richard und die anderen kamen aus dem Salon, und es folgten allgemeine Bewunderungsrufe, wie bezaubernd die Braut aussah. Nur Richard schwieg, aber seine Augen verrieten Emma alles, was sie wissen wollte. Und dann wurde sie der Reihe nach von allen geküßt: von Henry und Frank und Charlie, und von der Großmutter, und von May, und zuletzt auch von ihrer Mutter, und alles, was Peggy sagen konnte, war: »Werde glücklich, mein Kind.« Und mit Tränen in den Augen brachte Emma keine andere Antwort zustande als ein Nicken. Und dann saß sie neben Richard im Wagen, und sie fuhren los unter dem Winken und Rufen der ganzen Gesellschaft: »Seid glücklich … Gute Reise!«
Als der Wagen in der Ausfahrt verschwunden war, rannte Peggy als erste ins Haus zurück, und als dann alle wieder im Salon versammelt waren, trat sie an den Kamin und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Einfassung. Sie krallte eine Hand in ihre Bluse und zerrte daran herum, als wollte sie sich den Stoff vom Körper reißen.
Charlie sprach zuerst: »Was ist denn? Es geht schon alles gut mit ihr. Und sie wird glücklich werden. Aber … aber, was hast du denn?«
Sie sah ihn an, dann ihre Mutter, und dann sagte sie: »Sie ist tot. Die Urgroßmutter ist tot … sie ist tot.« Und dann sah sie, wie ihre Mutter langsam auf die Couch sank, und sie hörte Henry sagen: »Aber, nicht doch.« Und Frank sagte: »Aber du warst doch grad erst bei ihr oben.« Das sagte er zu seiner Frau. Und May nickte: »Ja, in der einen Minute … ist sie noch aufrecht im Bett gesessen und hat genörgelt, daß sich keiner mehr um sie kümmert, ich meine, daß niemand sie um ihr Einverständnis gebeten hat, ihre Erlaubnis, etwa bei der
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