Die Frauen von Clare Valley
Karton!«, protestierte Belle. »Chloe und ich schlafen in dem großen Bett, bei dir.«
»Vielleicht können Mum und Dad ja in den Kartons schlafen«, wandte Chloe ein. »Aber nur, wenn sie mit dem Streiten aufhören und wir ihnen erlauben mitzufahren. Und bis dahin ist es ein Geheimnis, oder, Holly?«
»Allerdings«, sagte Holly. »Also, wer drückt auf ›Senden‹?«
Beide Mädchen legten einen Finger auf die Maus.
»Na schön«, sagte Holly und stand auf. Ihre Schwestern glitten von den Plätzen neben ihr. »Genug Computer. Zeit für die Hausaufgaben.«
Zehn Minuten später saß Holly bei Belle und half ihrer kleinen Schwester beim Lesen, als Chloe ins Zimmer stürmte. Der Streit hatte im Wohnzimmer geendet. Nun hing eine düstere Wolke aus Feindseligkeit und Wut im Haus, die wie Nebel in alle Winkel drang. Holly lächelte über ihre kleine Schwester, die mit hochroten Wangen, weit aufgerissenen Augen und zusammengepressten Lippen vor ihr stand. »Chloe, was ist denn los?«
Chloe sagte etwas, hielt aber die Hand vor den Mund.
»Chloe? Was ist? Etwas Gutes oder Schlechtes?«
»Etwas auf dem Computer«, flüsterte Chloe. »Holly, komm. Sieh’s dir an.«
Holly folgte ihr verwundert, Belle ihnen auf den Fersen.
Chloe hatte die Mail, die eben angekommen war, bereits geöffnet. Die Betreff-Zeile lautete: H erzlichen G lückwunsch !
Kapitel 3
In Hongkong betrug die Außentemperatur angenehme zweiundzwanzig Grad. Im Innern des Luxusapartments im zwanzigsten Stock aber war es kühl und die Stimmung frostig. Glenn stand vor dem Zimmer seiner zwölfjährigen Tochter und klopfte bereits zum fünften Mal an.
»Ellen, bitte, ich flehe dich an.«
Schweigen.
»Sag doch wenigstens Hallo. Nur kurz.«
Schweigen.
»Sie ist sonst tödlich beleidigt.« Glenn zuckte zusammen. »Tödlich« war keine gute Wortwahl. Überhaupt nicht. »Bitte, Liebes. Sprich mit mir.«
Doch Ellen hatte ihrem Vater nichts zu sagen, was er nicht schon wusste. In den vergangenen sechs Wochen hatte sie ihm bei jeder Gelegenheit erklärt, wie sie zu seiner neuen Freundin und zu der Tochter seiner neuen Freundin stand. »Mir doch egal, wenn du meinst, dass du sie liebst. Mir doch egal, dass ihre Tochter in meinem Alter ist. Und angeblich auch so einsam ist. Ich will diese Frau und ihre blöde, einsame Tochter nicht noch einmal sehen, und wenn dir etwas an mir läge, wärst du nicht mit ihr zusammen.« Das Gespräch hatte mit einer zugeknallten Zimmertür geendet. Am folgenden Tag wieder Schweigen.
Er hatte sich mit einer Therapeutin beraten. Ihr die Situation so knapp wie möglich geschildert. »Meine Frau – Ellens Mutter – ist vor fast fünf Jahren gestorben. Ich hatte immer geglaubt, Ellen und ich hätten ein gutes Verhältnis. Ich habe mich in der Zwischenzeit natürlich mit anderen Frauen getroffen, Ellen weiß das, aber mit Denise, das ist etwas anderes. Ich habe mich an die Regeln gehalten. Ich habe Denise erst dann zu uns eingeladen, damit sie und Ellen sich kennenlernen, als ich mir ganz sicher war.«
»Und was ist bei dieser ersten Begegnung geschehen?«
Es hatte eigentlich ganz gut begonnen. Bis Ellen aufgefallen war, dass ihr Vater und Denise verliebt waren. Sie hatte sich neben die alles beherrschende Fotografie von Anna gestellt und an Denise gewandt gesagt: »Ich brauche keine neue Mutter.«
Denise hatte erst zu Glenn gesehen und dann nervös gelächelt. »Ich möchte dir auch gar nicht die Mutter ersetzen.«
»Gut. Und ich will auch nicht, dass Sie bei uns wohnen.«
»Sie leidet, sie trauert noch«, hatte die Therapeutin gesagt. »Sie müssen Geduld mit ihr beweisen.«
Glenn hatte Geduld bewiesen, reichlich. Liebe. Verständnis. Doch er war einsam gewesen. Bereit für eine neue Beziehung. Er hatte es Ellen so leicht wie möglich gemacht, seine Dates als freundschaftliche Treffen behandelt, beiläufig erwähnt, wenn er zum Essen verabredet war. Es war kein Problem, solange es etwas Flüchtiges war, er sich mit einer Frau nur ein oder zwei Mal traf. Doch das änderte sich schlagartig, sobald er andeutete, dass es mehr sein könnte.
»Hast du Mum denn schon vergessen? Ich dachte immer, sie hätte dir so viel bedeutet. Wenn das schon eine Lüge war, wobei lügst du noch?«
War es das Alter, die Pubertät? War das der Grund, warum sich seine kleine süße Ellen in diese freche, manchmal geradezu unverschämte Göre verwandelt hatte? Oft war er versucht zurückzubrüllen. Die Tür genauso laut zuzuschlagen. Er hatte sich
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