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Die Frauen von Clare Valley

Die Frauen von Clare Valley

Titel: Die Frauen von Clare Valley Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica McInerney
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sogar bei Kolleginnen, die ebenfalls Töchter im Teenageralter hatten, Rat geholt. »Lass dich bloß nicht auf ihr Spiel ein. Du musst der Erwachsene in eurer Beziehung bleiben.« Leichter gesagt als getan. Er hatte sich sogar auf Internetforen für Alleinerziehende angemeldet, sich davon jedoch schnell zurückgezogen, als ihm aufgegangen war, dass es sich dabei um kaum bemäntelte Dating-Netzwerke handelte. Schließlich hatte er Rat bei seiner alten und weisen Mutter gesucht und sie in ihrem luxuriösen Altersheim in Queensland (für das er bezahlte) angerufen. Sie war wie stets ziemlich direkt gewesen. »Überleg dir, was du willst, und dann zieh das durch. Und sag Ellen bloß die Wahrheit. Immer. Teenager riechen eine Lüge auf eine Meile Entfernung. Was du dir jetzt an Ärger sparst, holt dich eines Tages ein. Doppelt.«
    Ellen die Wahrheit sagen? Wie denn? Er hatte sie seit Annas Tod belogen. Er hatte so schon genügend Probleme mit seiner Tochter. Was mochte er entfesseln, wenn er ihr die volle Wahrheit sagte? Ellen wusste nämlich nicht, und vielleicht sollte das auch stets so bleiben, dass er und Anna ernsthafte Eheprobleme gehabt hatten. Mehr als das übliche Hickhack. Sie hatten kurz vor einer Trennung gestanden, waren unaufhaltsam auf die Scheidung zugesteuert.
    Gekriselt hatte es seit Jahren. Vielleicht waren sie beide zu beschäftigt gewesen, Anna mit ihrer Arbeit als Sprecherin, Glenn mit seiner rasanten Karriere in der Werbung. Vielleicht hatten sie einander nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt, und die gemeinsame Sorge um ihre Tochter hatte die Risse überkleistert. Doch dann war der Unfall passiert. Ellen war im Park beim Spielen von einem Hund gebissen worden. Anna hatte auf sie aufgepasst, war aber durch einen Anruf abgelenkt. Alles geschah im Bruchteil von Sekunden, die fransige Wunde an Ellens Wange, Schreie, Rufen, Blut, die hektische Fahrt ins Krankenhaus. Die unterschwellige Spannung zwischen Glenn und Anna hatte sich in dem Moment entladen. Das war Annas Schuld, sie hatte ja nicht achtgegeben. Das war Glenns Schuld – nie war er zu Hause, nie unternahm er etwas mit seiner Tochter! Danach hatte Eiszeit geherrscht. Die schlimme Narbe auf Ellens Wange war eine stete Mahnung, nicht nur an den Vorfall selbst, sondern an den Graben, der sich zwischen ihnen aufgetan hatte. Und je übler die Stimmung zu Hause war, umso länger war Glenn im Büro geblieben. Es hatte ihn zu einer Kollegin gezogen, und er hatte sich, mit einer Bedenkenlosigkeit, die ihn selbst erstaunte, in eine Affäre gestürzt. Er war nicht stolz auf sein Verhalten, doch Anna war es offenbar gleichgültig. Ellen war der einzige Berührungspunkt zwischen ihnen, aber unter der höflichen Oberfläche ihrer Worte hatten Vorwürfe und Schuldzuweisungen gelauert. Trennung und Scheidung schienen unausweichlich.
    Er erinnerte sich noch genau an den Moment, als Anna ihn vom Motel aus angerufen und von der Krebsdiagnose berichtet hatte. Sie war mit Ellen bei ihrer Familie gewesen, seit Wochen schon. Offiziell hatten sie Ellen etwas Abstand geben wollen, weil sie in der Schule von den anderen Kindern wegen ihrer Narbe gemobbt worden war. Inoffiziell war es eine Trennung auf Probe. Doch in dem Moment hatten sie ihre Animositäten beiseitegeschoben. Er hatte alles getan, damit Annas letzte Wochen so friedlich und Ellens Leben so ruhig wie möglich verliefen. Als Anna starb, war er wirklich am Boden zerstört gewesen. Er hatte um seine Frau und um seine Ehe getrauert. Doch mit der Zeit hatten sich seine Gefühle gewandelt, hatte er die Situation in einem klaren Licht gesehen. Ihre Ehe hätte sich nicht retten lassen. Auch Anna hatte eine neue Liebe gefunden, sie hatte im Motel jemanden kennengelernt. Wenn Anna nicht krank geworden, nicht gestorben wäre, was dann? Wären sie immer noch ein Paar? Das bezweifelte er. Sie hatten damals schon nur allzu gut gewusst, wo man den anderen treffen konnte. Sich das einzugestehen, war nicht leicht, aber es entsprach der Wahrheit. Ganz und gar.
    Allerdings war das keine Wahrheit, die sich für die Ohren seiner Tochter eignete. Zu diesem Zeitpunkt sicher nicht – und womöglich nie. Warum auch? Ellen war erst zwölf. Sie hatte schon genügend Kummer erlebt. Er konnte nicht von ihr erwarten, auch noch die Schwierigkeiten und Komplexitäten der Ehe ihrer Eltern zu verstehen.
    Ja, wenn er allein war, sah er das alles mit klarem, nüchternem Verstand. Doch wenn er vor einer zugeknallten Tür stand, mit

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