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Die Frauen von Clare Valley

Die Frauen von Clare Valley

Titel: Die Frauen von Clare Valley Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica McInerney
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sie aus dem Hof befreit hatten, bevor sie weit Schlimmeres als schrecklichen Durst ertragen musste – und einen schmerzhaften Allerwertesten, weil sie so lange auf diesem Putzeimer kauern musste.
    Es war beinahe so, als wäre sie auf ihrer eigenen Beerdigung gewesen, als alle besorgt zu ihr geeilt waren, sie angerufen, ihr gesagt hatten, wie entsetzlich es gewesen, wenn ihr etwas zugestoßen wäre, wie viel sie ihnen bedeutete. Ein wunderschönes Gefühl, doch das würde sie erst am nächsten Tag genießen. Jetzt brachte es sie nur noch mehr zum Weinen.
    Und dann hatte sie zu allem Überfluss auch noch mit Alex gesprochen.
    Die Umstände waren nicht gerade ideal gewesen. Doch schon seine Stimme! Es war eine Reise in die Vergangenheit. Plötzlich war Lola wieder die junge Frau in Brighton und er der junge Mann, der wie immer anrief, um sich zum Kaffee, zum Essen, zu einer gemeinsamen Unternehmung zu verabreden. Seine Sprache war noch immer ein wenig italienisch eingefärbt. Nur seine Stimme hatte älter geklungen, aber er war ja auch älter.
    Sie hatten nur kurz miteinander gesprochen. Lola hatte sich alles eingeprägt, Satz für Satz, doch in diesem Moment wollte sie seine Worte nicht analysieren, auf ihre tiefere Bedeutung hin befragen. Etwas aber hatte er gesagt, immer wieder, was ihr am meisten bedeutet hatte. Es tut mir leid.
    Es war, als ob er all die Jahre darauf gewartet hätte, diese Worte auszusprechen. Die nicht in seinem Brief gestanden hatten.
    Es tut mir leid.
    Sie hatte nicht damit gerechnet, dass sie bei ihrem ersten Gespräch gleich auf den Punkt kommen würden. Doch sie war froh darüber. Und hatte seine Aufrichtigkeit mit einer Frage erwidert, die ihr auf der Seele brannte.
    »Warst du glücklich mit ihr, Alex?«
    »War ich, Lola. Wir hatten ein gutes Leben. Und wir haben zwei wunderbare Töchter.«
    »Erzähl mir von ihnen.« Von seinem guten Leben mit seiner Frau wollte sie nichts hören, noch nicht.
    Und so hatte er ihr von Rosie und Lucia erzählt. Seinen Enkelkindern. Von seiner Entscheidung, nach dem Tod seiner Frau vor zehn Jahren nach Australien zurückzugehen.
    Jedem anderen Menschen gegenüber hätte Lola ihr Mitgefühl geäußert. Hier hatte sie geschwiegen.
    Dann hatte er das Wort erneut ergriffen. »Und du, Lola? Warst du glücklich?«
    Meinte er damit, ob sie noch einmal geheiratet hatte? Weitere Kinder bekommen hatte? Sie wussten nichts mehr voneinander. Doch es war zu früh, sich über all das auszutauschen. Und es war auch nicht der richtige Moment. Und so hatte sie aufrichtig und schlicht gesagt: »Meistens, ja, sehr. Manchmal auch nicht.«
    »Also das perfekte Leben?«
    Sie hatte ins Telefon gelächelt. »Ja, wahrscheinlich.« Da hatte ihn eine Stimme aus dem Hintergrund gerufen. Papa. Es war schließlich Weihnachten. Ein Tag im Familienkreis. »Wir sollten Schluss machen, Alex.«
    »Darf ich dich wieder anrufen?«
    Sie hatte einige lange Sekunden darüber nachgedacht. War es unklug, den Kontakt erneut zu ihm zu suchen, nach all den Jahren? Was hätten sie einander noch zu sagen, nachdem sie sich erst einmal auf den neuesten Stand gebracht hatten? Wäre jede Unterhaltung von Bedauern überschattet, einem Bedauern über zwei getrennte Lebenswege? Vielleicht. Doch es gab nur eine Möglichkeit, das herauszufinden.
    »Aber sicher«, hatte sie gesagt.
    Er hatte gefragt, ob er am nächsten Abend um halb sieben anrufen dürfe. Der alte Alex unterschied sich nicht wesentlich vom jungen Alex, er war genauso höflich, genauso präzise bei den Terminabsprachen.
    »Ich freue mich darauf«, hatte sie erwidert.
    Beim Gedanken an Alex flossen die Tränen schon etwas langsamer. Sie war nicht naiv. Ihr war bewusst, dass sie die Zeit nicht zurückdrehen, die verlorenen Jahre nicht nachholen konnten. Doch an diesem Nachmittag, als sie solch unsagbare Angst gehabt hatte, hatte sie sich etwas geschworen. Nach einer qualvollen Stunde in der heißen Sonne hatte sie sich, um Ruhe zu bewahren, positiv zu denken, nicht die Hoffnung zu verlieren, an Anna gewandt.
    »Ich sitze ziemlich in der Patsche, Anna.«
    Wohl wahr, das ist keine ideale Lage, Lola.
    »Komme ich heil hier raus?«
    Aber natürlich. Doch von da an musst du dafür Sorge tragen, dass du jeden einzelnen Moment, jede einzelne Sekunde deines Lebens genießt und nichts bereust. Versprich mir das, Lola.
    »Das verspreche ich dir, Anna.«
    Und sie würde sich an ihre Worte halten. Nicht bei traurigen Zeiten verweilen. Nach vorne sehen. Jede neue

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