Die Frauen von der Beacon Street
Damen wandern ließ, die wie eine Schar Paradiesvögel inmitten von Pinguinen die Grüppchen von schwarz gewandeten Männern zum Leuchten brachten. Da war Mrs Brown, die aufzuspüren Helen am allerwenigsten Mühe machte, so laut war ihr Organ mit dem Westküstenakzent und so auffällig ihr üppig mit Nerz besetztes Abendkleid, das ebenso unpassend für einen Abend im April wie unmissverständlich kostspielig war. Und dann war da die schöne junge Mrs Astor, die genauso alt wie Eulah und in eine ruhige Konversation mit Mrs Appleton vertieft war. Beiden Frauen war Helen noch nie persönlich begegnet, doch Eulah erwähnte sie oft, wenn in den Klatschspalten der Town Topics wieder einmal über sie zu lesen war. Meine Güte, wie elegant Mrs Appleton doch aussah! Ihr Kleid war von einem so zarten Perlmuttrosa, dass es kaum mehr war als ein Hauch.
Mitten in diese Überlegungen und Beobachtungen drang jetzt ein Summen, und Helen warf Eulah, der Verursacherin, einen tadelnden Blick zu.
» Ach, aber ich liebe dieses Lied, Mutter « , sagte Eulah lächelnd. » Dum dah di dum dum duuuum. «
» Dumme Gans « , neckte Mr Emerson sie, während er sie weiter in Richtung ihres Tisches lenkte. » Das Lied kannst du gar nicht kennen. Es ist brandneu. Ich jedenfalls habe es erst kürzlich à Paris gehört, und zwar in einem Café, in das deine Mutter dich ganz bestimmt nicht lassen würde. «
» Und wie ich das kenne! « Eulah zog scherzhaft einen Schmollmund. » Ich weiß sogar noch, wie der Text geht. «
» Ach, wirklich? « Mr Emerson lächelte.
» Dum di dah dah, hmmm hmmmm silver lining ... « , tirilierte Eulah und malte dazu mit der behandschuhten Hand ein paar Kringel in die Luft, als würde sie dirigieren.
» Eulah! « , wies Helen sie zurecht. Doch ihre Ermahnungen wurden durch ihre Ankunft an dem Tisch unterbrochen, der für sie reserviert war.
» Nun, meine Damen « , sagte Mr Emerson und musste sich für seine Verbeugung ein wenig an einem Stuhlrücken festhalten. » Dann darf ich mich nun wohl von Ihnen verabschieden. «
» Sie sind zu liebenswürdig, Mr Emerson « , erwiderte Helen und bedeutete ihm mit einem nicht unfreundlichen Blick, dass er entlassen war.
Eulah schenkte ihm ihr charmantestes Lächeln, und nachdem er ihnen, so gut es ihm möglich war, auf ihre Plätze geholfen hatte, zog er sich zurück.
Helen beugte sich nach vorn und wollte gerade eine mahnende Bemerkung bezüglich der Gesprächsthemen ihrer Tochter machen, als sie durch das Erscheinen von Mrs Widener, und, direkt hinter ihr, einem schnurrbärtigen Gentleman unterbrochen wurde, bei dem es sich nur um deren Gatten George handeln konnte. Helen ergab sich mit einem unhörbaren Seufzer in ihr Schicksal und hoffte, Eulah würde so viel Vernunft besitzen, Mrs Widener mit ihren absurden politischen Ansichten zu verschonen. Denn trotz des förderlichen Einflusses, den Europa sicher auf ihre Tochter gehabt hatte, fürchtete Helen, Eulahs Ansichten seien noch immer bedenklich fortschrittlich. In der Garderobe der Oper hatte Helen sogar mit angehört, wie sie Lady Rutherford einen Vortrag über die dringliche Notwendigkeit der Einführung des Frauenwahlrechts gehalten hatte.
Sicher, auch Helen hegte gewisse Interessen, die man durchaus als unorthodox bezeichnen konnte, auch wenn es sich dabei natürlich nicht um politische, sondern hauptsächlich um spirituelle Angelegenheiten handelte. Mrs Dee sagte immer, Helen sei es sich selbst – und der Welt – schuldig, über die wundervollen Dinge, die sie an ihren Mittwochabenden vollbrachten, Zeugnis abzulegen. Vielleicht hatte Eulah ja recht, und Helen sollte ihr besser keine Predigten über das Missionieren halten. Doch es war eine Sache, in einem Nähzirkel irgendwelchen Blödsinn zu plappern, und etwas ganz anderes, es beim ersten festlichen Dinner an Bord eines Transatlantikdampfers zu tun.
» Eleanor! « Helen schenkte ihrer Tischnachbarin ein strahlendes Lächeln und stupste Eulah unter dem Tisch mit ihrem Abendschuh an, um sie zur Fasson zu rufen. » Meine Liebe, wie geht es Ihnen? Es ist so lange her. Und dass Mr Widener mit Ihnen reist. Wie schön! «
» Helen. « Mrs Widener nickte wohlwollend und reichte ihr die Hand. Mrs Widener rückte den Hermelinumhang auf ihren Schultern zurecht und ließ einen langen abschätzenden Blick durch den Speisesaal schweifen. Schließlich seufzte sie und sank mit vornehmer Langsamkeit neben Helen Allston auf den Stuhl, brachte Ordnung in ihre Röcke und
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