Die Frauen von Savannah
wie Klöppelspitzen aus silbernem Licht. Du musst mal rüberkommen und es dir ansehen. Matilda ist wirklich eine Künstlerin – ein großer Geist im Königreich der Spinnen.«
Ich betrachtete die staubigen Spinnweben, die an dem Besen in meiner Hand klebten, und wusste nicht, was ich sagen sollte.
»Neulich habe ich meinem Hartriegel ein Violinkonzert vorgespielt und habe gesehen, dass Matilda ihr Netz im Takt zur Musik gesponnen hat. Sie hat nicht die kleinste Nuance verpasst. Es würde mich überhaupt nicht wundern, wenn sie als Musikerin wiedergeboren würde. Ich kann sie mir gut an einem Konzertflügel vorstellen, wie ihre flinken Finger durch eine Mozart-Sonate fliegen. Es war so ein wundervoller Moment, dass ich glaube, ich habe einen kleinen Blick auf das Nirwana erhascht.«
Ich lehnte mich ans Verandageländer. »Wussten Sie, dass es in Idaho ein Nirwana gibt?«
»Idaho!« Sie fiel auf dem Stuhl zurück und bestand nur noch aus Lachen und Beinen. »Oh Cecelia, du bist wirklich köstlich.«
»Stimmt aber. Neulich habe ich die Post reingeholt, und auf einer von Tante Tooties Zeitschriften stand, es gibt in Idaho einen Garten der Gelassenheit . Und da haben sie eine Art Wassergarten, der heißt ›Kleines Nirwana‹. Da dachte ich, das ist dort.«
»Nun ja, das Nirwana ist tatsächlich der Ort der Gelassenheit, aber es ist kein wirklicher Ort. Es ist der Zustand absoluter Ruhe und Akzeptanz, an dem wir in den Rhythmus der Ewigkeit einfallen. Das Nirwana ist im Buddhismus das Endziel des Lebens.« Miz Goodpepper sah in den Himmel. »Aber man braucht viele, viele Leben, um dorthin zu gelangen.«
»Na ja, schade, dass es nicht in Idaho ist, dann hätten Sie gleich hinfahren können.«
Sie lachte und schüttelte den Kopf. »Cecelia, du bist wirklich die helle Freude. Komm doch öfter mal rüber und leiste mir Gesellschaft.«
Ich zupfte Spinnweben von den Borsten und warf sie über das Verandageländer. »Mache ich, wenn Mrs Odell in Florida ist.«
»Oh«, sagte sie und erhob sich, »jetzt habe ich mich hier so verplaudert, dass ich das fast vergessen hätte. Ich habe etwas für Gertrude, ist sie da?«
Ich begleitete Miz Goodpepper ins Haus und den Gang hinunter in den Salon. Sie griff in die Tasche ihres Kleids und holte ein schmales Schächtelchen heraus, das mit einem blauen Band zugebunden war. »Für Sie, Gertrude.«
In der Schachtel war ein silbernes Lesezeichen. Mrs Odell ließ die Finger darübergleiten und lächelte. »Das ist wunderschön, Thelma. Danke.«
Miz Goodpepper lehnte sich auf dem Sofa zurück. »Als wir nach der Gartentour alle zusammensaßen, hat Cecelia mir erzählt, dass Sie so gerne lesen.«
»Oh ja, das tue ich. Aber ich hatte noch nie so ein schönes Lesezeichen.«
»Es ist ziemlich alt; ich nehme an, es stammt aus den 1880ern.«
»Genau wie ich«, kicherte Mrs Odell.
»Ich finde Antiquitäten faszinierend«, sagte Miz Goodpepper, die in dem Lichtflecken saß, der durchs Fenster hereinfiel. »Irgendwie haben Dinge, die nicht mehr ihrem ursprünglichen Besitzer gehören, so eine bittersüße Traurigkeit. Ich sammle schon seit Jahren antike Parfumflakons. Ich gucke immer bei Haushaltsauflösungen und in Antiquitätenläden danach, und wenn ich einen finde und mitnehme, frage ich mich immer, wer ihn wohl als Erstes in den Fingern hatte, wovon diese Frau geträumt hat, wie sie aussah … ob sie glücklich war.«
Miz Goodpepper schwieg gedankenverloren und sah aus dem Fenster. »Einmal hatte ich einen dieser herrlichen Flakons in der Hand und erhaschte einen flüchtigen Blick auf die Frau, der er gehört hatte. Wie der fransige Saum eines Traums. Na ja, jedenfalls«, sie schüttelte ihr Kleid etwas auf, »als ich gestern in diesem hübschen kleinen Laden auf der Tattnall gestöbert habe, habe ich das Lesezeichen gesehen und gleich gedacht, vielleicht gefällt es Ihnen.«
»Oh, das tut es«, sagte Mrs Odell und strich mit den Fingern darüber. »Ich werde es in Ehren halten.«
Keine zehn Minuten nachdem Miz Goodpepper sich entschuldigt hatte und gegangen war, stürmte Miz Hobbs durch die Hintertür herein, ohne auch nur anzuklopfen. Sie trug ein abscheuliches grünes Blumenkleid und hatte eine Schachtel Pekannüsse im Karamelmantel dabei.
»Ich will ja nicht die Letzte sein, die deine Freundin kennenlernt«, sagte sie und zupfte an ihrem Kleid, »aber in letzter Zeit habe ich üble Kopfschmerzen. Der Arzt sagt, das hört wieder auf, wenn die Schwellung in meinem Gehirn
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