Die Frauen von Savannah
verlangsamte Tante Tootie ihren Schritt und flüsterte: »Oletta ist so verändert, und ich glaube, ich weiß auch, warum. Liebes, du warst die ganze Zeit nur mit Gertrude zusammen, und ich habe den Verdacht, dass Oletta sich ein bisschen abgeschoben fühlt.«
»Aber ich habe Oletta doch lieb!«
Meine Tante strich mir mit der Hand über den Rücken und beugte sich zu mir. »Das weiß ich, und sie hat dich auch lieb. Seit du hier wohnst, seid ihr beiden ja unzertrennlich. Du bist Oletta genauso wichtig wie sie dir. Versuch, ihr ein bisschen mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Das wird ihr guttun.«
Wie konnte ich nur so dumm sein? Ich hatte Oletta nicht mal was vorgelesen, seit Mrs Odell da war.
Während Tante Tootie ihren Korb und die Gartenschere holte, ging ich in die Küche. Oletta wusch ab und sah nicht mal auf, als ich mir ein Geschirrtuch aus der Schublade nahm und anfing abzutrocknen. Ich stand direkt neben ihr, aber sie tat, als wäre ich gar nicht da. Als alle Teller abgetrocknet waren, räumte ich sie weg, und Oletta räumte die Küche auf.
Mit einem nassen Schwamm in der Hand und zusammengepressten Lippen schrubbte sie die Arbeitsplatte mit wütenden Kreisbewegungen. »Warum bist du denn nicht draußen bei deiner Freundin?«
»Weil ich bei dir sein will.«
»Mach, was du willst«, brummte sie und rubbelte so fest, dass der Schwamm zerfiel. »Mir doch ganz egal.«
Ich hatte nicht vor aufzugeben, also setzte ich mich an den Tisch und blätterte die Zeitung durch, in der Hoffnung, dass sie wieder mit mir sprechen würde, wenn sie fertig war. Am Ende der dritten Seite entdeckte ich einen Artikel über Martin Luther King. Da ich wusste, wie sehr Oletta ihn bewunderte, räusperte ich mich und las vor: »Doktor Martin Luther King hielt letzte Woche bei der Konferenz der Christlichen Religionsführer der Südstaaten eine Rede, in der er …«
Während ich las, hörte Oletta auf zu schrubben. Sie kam und setzte sich mir gegenüber, hörte aufmerksam zu und nickte gelegentlich. Als ich fertig war, legte ich die Zeitung zusammen. »Klingt wirklich nach einem klugen Mann.«
»Ja, ist er. Danke fürs Vorlesen.« Sie drückte sich am Tisch hoch. »Ich hab was für dich«, sagte sie, holte eine Blechdose vom Kühlschrank und reichte sie mir. »Hab ich heut Morgen gemacht.«
Ich nahm den Deckel ab, und als ich hineinsah, bekam ich ein schlechtes Gewissen. Während ich sie fast ignoriert hatte und mit Mrs Odell im Forsyth Park spazieren gegangen war, hatte Oletta mir Kekse mit Schokostückchen gebacken. Ich sah ihr in die Augen und sagte: »Danke, Oletta.«
»Ich hab auch Walnüsse in den Teig gemacht, magst du doch so gerne.«
Ich biss kräftig von einem Plätzchen ab und seufzte. »Du bist wirklich die beste Köchin, Oletta«, sagte ich mit vollem Mund. Und als sie lächelte, stand ich vom Tisch auf und umarmte sie. »Du bist die beste Köchin und die beste Freundin, die ich je hatte.«
Bevor sie an diesem Nachmittag nach Hause fuhr, reichte Oletta mir ein Blatt Papier und einen Bleistift. »Schreib mal was für mich auf, ja?«
Ich tat, was sie sagte, hielt den Stift gezückt und fragte mich, was jetzt wohl käme.
Oletta verschränkte die Arme vor der Brust, sah aus dem Küchenfenster und diktierte: »Zwei gekochte Hühnerbrüste ohne Haut klein schneiden. Drei Stangen Sellerie hacken, eine halbe kleine, süße Zwiebel, eine Handvoll Trauben. Alles in eine Schüssel geben und …
Ich lächelte und schrieb Olettas Rezept für Hühnchensalat auf. Als ich fertig war, reichte ich ihr den Zettel, und sie legte ihn auf den Küchentresen, direkt neben Mrs Odells Süßstoff. Sie schien sehr zufrieden mit sich zu sein, und als sie ihre Schürze in die Speisekammer hängte und ihre Handtasche und ihren Pullover einsammelte, hörte ich sie zum ersten Mal seit einer Woche ein Lied summen.
Zusammen gingen wir zur Tür hinaus, die Treppe hinunter und über den schattigen Gehweg zur Bushaltestelle. Als der Bus hielt und die Tür aufging, hängte Oletta sich die Handtasche über die Schulter und sagte: »Bis morgen, Kind.«
Als sie gerade den Fuß auf die unterste Stufe setzte, platzte ich heraus: »Ich hab dich lieb, Oletta Jones.«
Sie blieb stehen und drehte sich um. Ihr Gesicht war so ernst, dass ich dachte, vielleicht war es falsch, so was in der Öffentlichkeit zu sagen.
Ihre Mundwinkel hoben sich, sie lächelte, und dann sagte sie die Worte, nach denen ich mich so gesehnt hatte. »Oletta Jones hat dich auch
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