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Die Frauen von Savannah

Die Frauen von Savannah

Titel: Die Frauen von Savannah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beth Hoffman
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Cousine Adele angerufen und mir angeboten, zu ihr nach Florida zu ziehen. Das wäre wirklich ein herrlich warmes Fleckchen für meine alten Tage, aber ich war nicht sicher, ob ich dort wirklich hingehöre. Also habe ich eine Weile darüber nachgedacht, und als dein Daddy mir vorhin gesagt hat, dass du nach Savannah ziehst, habe ich beschlossen, Adeles Angebot anzunehmen. Das Leben ist voller Veränderungen, Schatz. Nur so können wir lernen und wachsen. Wenn wir geboren werden, gibt der liebe Gott einem jeden von uns ein Lebensbuch. Kapitel für Kapitel leben und lernen wir.«
    »Aber Mrs Odell, das habe ich ja noch nie gehört.«
    »Es ist ja auch kein Buch, das man sehen oder anfassen kann. Es ist ein Buch tief in deinem Herzen. Es wird von deiner Seele bewacht.«
    »Von meiner Seele?«
    »Ja«, sagte sie und strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Wenn ein Kapitel deines Lebensbuchs vorüber ist, dann weiß deine Seele, dass sie die Seite umblättern muss, damit ein neues Kapitel anfangen kann. Auch wenn du Angst hast, oder wenn du denkst, du bist noch nicht so weit, deine Seele weiß, dass du das doch bist.«
    »Wirklich?«
    Mrs Odell nickte, und ihr brach die Stimme. »Du und ich, wir hatten ein wunderschönes Kapitel zusammen, Cecelia. Du weißt gar nicht, wie viel Freude du in mein Leben gebracht hast. Ich habe dich wirklich sehr, sehr lieb. Als mein Sohn James gefallen ist und Elmar dann so unerwartet gestorben ist, da war ich ganz plötzlich eine Witwe ohne Familie in der Nähe. Manchmal war ich so traurig und einsam, dass ich kaum aufstehen konnte. Es war wirklich schlimm.
    Und dann hat sich eines Sommermorgens eine Seite in meinem Lebensbuch umgeblättert. Das werde ich nie vergessen. Ich saß am Küchentisch und habe versucht, den abgebrochenen Henkel einer Teetasse wieder anzukleben. Ich habe mir selbst ganz schön leidgetan. All meine Hoffnungen und Träume waren aufgefressen worden wie ein Schal von den Motten. Ich dachte wirklich, das Leben ist gar nicht mehr lebenswert. Und genau als ich das gerade dachte, klopfte es an der Hintertür. Ich schaute auf, und da stand deine Mutter, mit dir auf dem Arm. Du warst so winzig, erst ein paar Monate alt. Sie fragte, ob ich auf dich aufpassen kann, während sie zum Friseur geht. Na ja, natürlich habe ich Ja gesagt. Und als ich dich auf den Arm nahm, weißt du, was da passiert ist?«
    »Was denn?«
    »Meine Traurigkeit ist verschwunden. Wenn ich ehrlich bin, glaube ich, ich habe dich an dem Tag mehr gebraucht als du mich.« Es glitzerte in Mrs Odells Augen. »Oh CeeCee, wir haben so viele schöne Erinnerungen, und wir werden noch mehr davon sammeln. Florida ist gar nicht so weit von Savannah entfernt. Ich glaube, wir sehen uns bald wieder. Ganz bestimmt.«
    Ich zog mit dem Finger die blauen Adern auf ihrer Hand nach.
    Meine erste klare Erinnerung an Mrs Odell ist der Nachmittag meines vierten Geburtstags. Der Schnee war geschmolzen, die Sonne schien, es war blauer Himmel. Mrs Odell klopfte an unsere Hintertür und fragte Momma, ob sie mich mal kurz haben dürfte. Momma sagte Ja, und Mrs Odell nahm mich an der Hand, und wir gingen zu ihr. Am Geländer ihrer Veranda war ein knallroter Luftballon festgebunden, und als wir die Stufen hinaufgingen, sah ich zwei kleine Küchlein mit dickem Schokoguss auf der Gartenbank neben ihrer Hintertür. Auf einem steckten vier kleine Kerzen. Mrs Odell zog eine Schachtel Streichhölzer aus ihrer Pullovertasche, zündete die Kerzen an und lächelte. »Jetzt darfst du dir was wünschen, Liebes.«
    Mein Wunsch – ich sprach ihn laut aus – war, dass sie mir beibringt, Bücher zu lesen.
    »Wir fangen noch heute damit an«, sagte sie augenzwinkernd.
    Nachdem wir unsere Kuchen gegessen und uns jeden Krümel von den Fingern geleckt hatten, band Mrs Odell den Ballon vom Balkongeländer los und überreichte ihn mir. »Der ist mit einer ganz bestimmten Sorte Luft gefüllt, die heißt Helium, also halt ihn gut fest«, sagte sie und führte mich mitten in ihren Garten. »So, und jetzt darfst du dir noch etwas wünschen. Aber diesmal geheim. Erzähl mir nicht, was es ist, denk nur ganz fest daran.«
    Ein plötzlicher Windstoß wirbelte um mich herum und zog an dem Ballon, als wollte er sagen »Na los, komm mit auf den Ritt deines Lebens«. Der Ballon hüpfte auf und ab und wollte mitfliegen, aber ich hielt den Faden ganz fest und wünschte mir insgeheim, dass Mrs Odell und ich für immer zusammenbleiben würden.
    »Wenn du so weit

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