Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Frauen von Savannah

Die Frauen von Savannah

Titel: Die Frauen von Savannah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beth Hoffman
Vom Netzwerk:
bist, lass den Ballon los, damit er deinen Wunsch in den Himmel tragen kann.«
    »Aber wo fliegt er denn hin?«
    Mrs Odell beugte sich zu mir und sagte: »Das ist ein Geheimnis. Wir müssen einfach daran glauben.«
    Ich ließ den Faden durch meine Finger gleiten. Der Ballon stieg auf und hüpfte vor und zurück, als wäre er nicht sicher, wohin er will. Aber dann ergriff ihn der Wind und hob ihn hoch in die Luft, und Mrs Odell und ich standen da und sahen ihm nach.
    Und jetzt saßen wir hier und verabschiedeten uns voneinander.
    Ich weiß nicht, wie lange wir auf der Veranda saßen, aber als Mrs Odell sagte: »Schreib mir, Liebes, ich schreibe dir auch«, war ich so traurig, dass ich nicht einmal sprechen konnte.
    Am nächsten Morgen wachte ich sogar noch vor den Vögeln auf. Mein ganzer Brustkorb fühlte sich an wie eingezwängt. Ich glitt aus dem Bett und ging nach unten. Dad schlief auf dem Sofa, immer noch in den Kleidern, die er zur Beerdigung getragen hatte. Auf dem Boden neben ihm lagen eine leere Whiskyflasche und ein umgekipptes Glas. Ich schaute ihn an und spürte nichts als kalte Verachtung. Ich drehte mich um und ging in die Küche, schenkte mir ein Glas Orangensaft ein und trat auf die hintere Veranda hinaus.
    In der müden Morgendämmerung saß ich auf den Stufen, trank meinen Orangensaft und prägte mir ein, was ich sah. Der Picknicktisch hatte schon lange der Trockenfäule und der jahrelangen Vernachlässigung nachgegeben und war nur noch ein bemooster Haufen morscher Bretter. Von Weitem sah er aus wie der Rumpf eines Dinosauriers, der aus der Erde guckte. Und an der Seite hing zwischen zwei Ahornbäumen Mommas Wäscheleine.
    Ich drehte mich um und starrte zu Mrs Odell hinüber. Ich wollte mich an ihren Garten erinnern, ihre alte Hängeschaukel auf der Veranda, das Spalier mit den Trichterwinden, die die Kolibris anlockten. Mein Blick folgte dem Weg, den ich in den Rasen zwischen unserer Hintertür und ihrer getreten hatte, ein Trampelpfad wie ein schmales Band aus weicher brauner Erde. Das Wissen, dass ich ihn nie wieder gehen würde, schmerzte so sehr, dass ich den Blick abwenden musste.
    Ein kühles Lüftchen kräuselte den Saum meines Nachthemds, die Vögel fingen an zu zwitschern und zu singen, und die ersten Sonnenstrahlen erweckten die Tautropfen zum Leben. Ich warf einen letzten Blick auf alles, was mich umgab, und stand langsam auf. Als meine Finger den Knauf der Hintertür berührten, bewegte sich in mir etwas – ich spürte es tatsächlich. Mrs Odell hatte recht gehabt. Ich merkte, wie tief in mir eine Seite umgeblättert wurde und ein Kapitel meines Lebens zu Ende ging.

[Menü]
Kapitel 5
    I ch stand vor dem Badezimmerspiegel, flocht mir einen Zopf und kaute auf meiner Lippe, bis ich Blut schmeckte, als Dad von unten heraufrief: »Ich habe deinen Koffer und die Bücherkiste an die Haustür gestellt. Ich muss mal kurz zum Laden.«
    »Mir doch egal«, murmelte ich.
    »CeeCee, hast du gehört?«
    »Ja!«, rief ich zurück. Ich spuckte einen Mundvoll Blut ins Waschbecken und spülte es weg. Mein Magen hüpfte ein paarmal, als ich über den Flur in mein Zimmer ging. Vor lauter Aufregung kribbelten mir die Oberarme. Ich zog einen alten Atlas aus einem Bücherstapel, setzte mich auf den Boden und suchte mir eine Karte von Georgia. Während ich noch versuchte herauszufinden, wie weit es bis Savannah war, hörte ich es in der Einfahrt hupen. Ich rappelte mich hoch und schaute aus dem Fenster, als der Wagen meiner Großtante gerade anhielt.
    Die Tür ging auf, und sie stieg aus. Der Rock ihres grünweißen Tupfenkleids wiegte sich sanft im Wind, und auf dem Kopf trug sie einen kleinen Strohhut. Sie zupfte kurz an ihren weißen Handschuhen und trat dann aufs Haus zu. Mir wäre fast das Herz aus dem Brustkorb gesprungen, als sie anklopfte.
    Was sollte ich tun? Was sollte ich zu ihr sagen?
    Es klopfte noch einmal, gefolgt von einem fröhlichen »Huhu! Jemand zu Hause?«.
    Ich holte tief Luft und ging auf Puddingbeinen die Treppe hinunter. Als ich die Tür aufmachte, strahlte sie von einem Ohr bis zum anderen. »Cecelia Rose, wie wundervoll. Wie hübsch du bist!«
    Ich trat beiseite. »Kommen Sie doch rein.«
    Sie trat ein und reichte mir die Hand. »Ich weiß, dass du dich nicht mehr an mich erinnern kannst. Wir haben uns mal gesehen, als du noch ganz klein warst. Ich bin deine Großtante Tallulah Caldwell, aber alle nennen mich Tootie. Ich würde mich freuen, wenn du das auch tust.«
    Ich hörte

Weitere Kostenlose Bücher