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Die Frauen von Savannah

Die Frauen von Savannah

Titel: Die Frauen von Savannah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beth Hoffman
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bis es so still war, dass ich die Luft durchs Fliegengitter ziehen hörte.
    Dad sah mich müde an und nickte. »Das kann ich dir nicht verdenken.« Er ging hinaus, und ich hörte ihn noch murmeln: »Wenn ich du wäre, würde ich mich auch hassen.«
    Die Wahrheit erschlug mich geradezu. Ich hatte zwar keine Ahnung, was mich erwartete, aber eins war sicher: Wohin auch immer ich ging, es würde besser sein als hier.
    Den Rest des Nachmittags verbrachte ich damit, meine Bücher durchzusehen. Immer, wenn ich eins aussortierte, fühlte ich mich ganz betäubt vor Wut. Schließlich suchte ich meine Lieblingsbücher heraus und legte sie in die Kiste: Die Chroniken von Narnia, Gullivers Reisen und alles von Nancy Drew, was ich hatte.
    Später am Abend ging Dad aus dem Haus und sagte, er wäre in einer Stunde oder so wieder zurück. Nachdem er abgefahren war, ging ich über den Flur und blieb vor der Tür meiner Mutter stehen. Das Haus war so still, dass ich die Uhr neben ihrem Bett ticken hörte. Langsam streckte ich die Hand aus, drehte den Türknauf und schob die Tür auf. Kurz stand ich da und starrte in die Dunkelheit, dann trat ich ein und machte das Licht an.
    Ihr Zimmer war ein parfümiertes Schlachtfeld. Aber vor allem war es Zeugnis ihrer Krankheit. Der Spiegel am Frisiertisch hatte einen Riss. Auf dem Boden flogen Lockenwickler und Lippenstifte herum wie Patronenhülsen – ein trauriges Symbol für Mommas langen, inneren Kampf. Tief in den Ritzen des Holzfußbodens hingen immer noch Reste des Puders, den sie durchs Zimmer geworfen hatte, und als ich daran dachte, wie er in der Luft explodiert war, bekam ich einen Kloß im Hals.
    Ich nahm ihr Album von der Zedernholzkommode, blätterte es langsam durch und berührte die wertvollsten Erinnerungen meiner Mutter – Erinnerungen, die von Fingerabdrücken verschmiert und über die Jahre verblasst waren.
    Auf dem Bett lagen ganze Berge von Lieblingskleidern – eine traurige pastellfarbene Landschaft aus zerknülltem Chiffon und Taft. Ich suchte mir Kleiderbügel, hängte jedes einzelne Kleid in den Schrank und strich sie glatt, so gut es ging. Als ich fertig war, trat ich einen Schritt zurück.
    Da hingen sie – Mommas ausgefranste, alte Schönheitsköniginnen- und Ballkleider, alle in einer Reihe, nach Farben sortiert wie ein müder, zerlumpter Regenbogen.
    »Tschüss, Momma«, flüsterte ich, nahm ihr Album mit und ging zur Tür.
    Ich weiß nicht, ob ich es wirklich gehört habe, oder ob nur meine Erinnerung mir einen Streich spielte, aber die Stimme meiner Mutter drang klar und deutlich an mein Ohr: »Eines Tages wirst du auch diese ganzen schönen Kleider tragen. Ich hebe sie für dich auf, Schatz.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Nein, werde ich nicht, Momma. Niemals.«
    Schweigend schloss ich die Tür hinter mir.

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Kapitel 4
    S ie saß auf der verwitterten Schaukelbank auf der Veranda. Die rostigen Ketten quietschten in einem Rhythmus, der mir vertraut war. Abgesehen von meinen Eltern war sie die einzige Person, die ich schon mein ganzes Leben lang kannte. Ich liebte sie.
    Einen Augenblick stand ich da und betrachtete sie, und dann raubte die Angst, sie nie mehr wiederzusehen, mir den Atem. Ich sprang die Stufen hinunter und rannte über den Rasen, so schnell ich konnte. Als Mrs Odell mich kommen sah, stand sie auf und breitete die Arme aus, und ich flog hinein wie ein kleiner Vogel, der zum letzten Mal in sein Nest fliegt.
    Lange sagte keine von uns ein Wort. Wir standen nur da und hielten uns im Arm. »Ach Schatz«, sagte sie, setzte sich auf die Schaukelbank und klopfte neben sich. »Setz dich zu mir.«
    Ich vergrub das Gesicht an ihrer Schulter, und sie roch, wie immer, nach frisch gebügelter Baumwolle. Sie küsste mich auf die Schläfe und zog mich an sich. »Dein Daddy war vorhin hier. Er hat mir erzählt, dass du nach Savannah ziehst. Ich war nie dort, aber es soll sehr schön sein.«
    Sie fing langsam an zu schaukeln, und ich schmiegte mich enger an sie. »Mrs Odell, kann ich nicht bei Ihnen wohnen?«
    »Das wäre wirklich toll«, sagte sie und drückte ihre Wange an meine. »Aber das ist im Buch deines Lebens nicht so vorgesehen. Für dich fängt jetzt ein großes Abenteuer an, und das willst du sicher nicht verpassen. In deinem Lebensbuch wird jetzt ein ganz neues Kapitel aufgeschlagen, und in meinem auch.«
    Ich setzte mich auf und sah ihr ins Gesicht. »Wie meinen Sie das?«
    »Die Wintermonate sind hart für mich. Vor ein paar Wochen hat meine

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