Die Frauen von Savannah
und verwandelten sich wieder in die magischen Steine.
Omu versteckte die Steine unter einer losen Bodendiele neben ihrem Bett. Sie glaubte, wenn sie eine Möglichkeit fände, ans Meer zu gelangen, könnte sie ihre Steine mit so viel Magie anreichern, dass sie sich in noch größere Vögel verwandeln würden – in so starke Vögel, dass sie sie nach Hause zurücktragen könnten. Aber die Jahre vergingen, und der einzige Ozean, den Omu je wieder sah, war der in ihren Träumen.
Als Chessie Omus Geschichte zu Ende erzählt hatte, nahm sie einen der Steine in die Hand und drehte ihn um. »Diese Steine wurden von Generation zu Generation weitergegeben. Als ich ein Kind war, hat meine Momma mir die Geschichte der Steine erzählt, und kurz vor ihrem Tod hat sie sie mir gegeben.«
»Wofür sind die Steine denn gut?«
»Sie sagen die Wahrheit«, sagte sie und beugte sich so dicht zu mir, dass ich goldene Flecken in ihren dunklen Augen sehen konnte. »Schauen wir doch mal, was die Steine dir zu sagen haben.« Sie schob sie mir über die Decke zu und drehte sie mit den Zeichen nach unten. »Jetzt mach die Augen zu und deinen Kopf leer. Spür, wie die Wellen durch dich durchfließen. Wirf dein Herz hoch in die Luft, bis du dich so frei wie ein Vogel fühlst. Und jetzt streck die Hand aus und berühr die Steine. Alle. Warte, bis einer sich richtig anfühlt, und den nimmst du hoch. Aber nicht so schnell, nimm dir Zeit, lass die Steine zu dir sprechen.«
Ich ließ die Hand auf die Steine sinken, spürte ihre weiche, feuchte Glätte, und Chessie fing an zu summen. Es war ein seelenvoller, eindrücklicher Klang, der von irgendwo tief in ihr drin kam.
Ich wartete einen Augenblick, dann nahm ich einen Stein.
»Gut«, sagt Chessie. »Jetzt kannst du die Augen wieder aufmachen.«
Auf dem Stein war eine Zickzacklinie in einem Dreieck zu sehen.
Chessie betrachtete den Stein und nickte nachdenklich. »Das ist Jakuni. Ein kraftvoller Stein. Auch wenn du im Leben Probleme hast, sagt Jakuni, solange du durchhältst und geduldig bist, bleibt der Himmel blau. Jakuni heißt, du bist rundum gut geschützt.«
»Wirklich?«
Chessie nickte. »Jetzt weiter, nimm noch einen Stein und …«
»Kommt, ihr zwei«, sagte Oletta, »genug Geschichten erzählt. Mittagessen ist fertig.«
Kurz darauf nickten wir mit gefüllten Bäuchen und im rhythmischen Rauschen der Wellen unter dem Sonnenschirm ein. Ich döste eine Weile, aber dann lockte der Wind mich sanft zum Wasser. Mit dem Hut auf dem Kopf und dem neuen Armreif am Handgelenk ging ich über den Sand.
Ich watete bis zu den Knöcheln ins Wasser. Die Wellen leckten an mir, ich sah hinaus aufs Meer und dachte an Omu. Wie alt war sie, als sie gefangen wurde? War sie je wieder glücklich? War sie bis zu ihrem Tod Sklavin?
Die Sonne stach mir ins Gesicht, also drehte ich mich um und ging am Wasser entlang, die brennende Sonne im Rücken. Immer wieder streckte ich den Arm aus, bewunderte meinen neuen Armreif und freute mich daran, wie die geschliffenen Glasperlen das Licht einfingen und es zurückwarfen, wenn ich den Arm nur ein winziges bisschen bewegte.
Meine Fantasie bekam Flügel, und ich fing an, am Rand der schaumigen Wellen zu tanzen. Ich stellte mir vor, dass Omu neben mir tanzte, dass sie in der Brandung plantschte und kleine Wassertröpfchen auf ihrer Haut in der Sonne glitzerten wie flüssige Diamanten.
»Na, hast du Spaß?«
Ich drehte mich verdattert um und sah Nadine hinter mir herkommen. »Hi. Ja, und wie. Guck mal, wie mein neuer Armreif glitzert«, sagte ich und drehte mein Handgelenk in der Sonne.
Sie lächelte. »Freut mich, dass er dir gefällt. Ich habe letzte Woche so schöne Glasperlen bestellt, mit kleinen Silberstückchen innen drin. Wenn ich die kriege, soll ich dir eine Kette machen?«
»Au ja. Eine Kette wär toll«, sagte ich und schaute die goldene Kette an, die sie um den Hals trug. Ich zeigte auf den runden Anhänger mit einem eisig wirkenden weißen Stein. »Deine Kette ist so schön, Nadine. Ist das ein Brillant?«
»Ja«, sagte sie stolz und berührte den Stein sanft. »Hat mein Mann mir letztes Jahr zum Geburtstag geschenkt. Seitdem hab ich sie nicht mehr abgenommen.«
Sie schaute auf meine Schultern und runzelte die Stirn. »Oh, du bist ja schon ganz rot. Zu viel Sonne abgekriegt. Gut, dass wir eh nach Hause fahren. Chessie und Oletta haben die Kühlbox und die Stühle schon zum Auto gebracht«, sagte sie und deutete mit dem Kopf auf unsere Stelle am
Weitere Kostenlose Bücher