Die Frauen von Savannah
durch die Nacht schickte, glitt ich vom Bett. Mit Kissen und Decke im Arm schlich ich die Treppe hinunter. Die Teppiche im schummrigen Flur fühlten sich unter meinen nackten Füßen kühl an. An Olettas Tür blieb ich stehen und sah hinein. Durch die Fensterläden fiel Mondlicht in blassblauen Streifen auf ihr Gesicht. Sie schlief auf der Seite, nur leicht von einem Laken bedeckt. Ein Arm hing über die Bettkante.
Ohne ein Geräusch zu machen, ging ich auf Zehenspitzen ins Zimmer, legte das Kissen neben das Bett auf den Boden und legte mich hin. Nah bei Oletta zu sein, beruhigte mich, und schon bald atmete ich im selben Rhythmus wie sie.
Aber auch wenn ich die Augen geschlossen hatte und zu schlafen versuchte, stand mir noch immer dieser Mann vor Augen: der Hass in seinem Blick, das eisige Blitzen seiner Klinge, sein Hohn. Die Angst kroch unter meine Haut wie etwas Lebendiges.
Ich dachte an das Grauen, das Omu erlebt haben musste, als sie von dem Sandstrand ihrer Heimat fortgerissen wurde. Und jetzt, so viele Jahre später, hatten ihre magischen Steine uns davor gerettet, an einem Strand, den wir für sicher hielten, verletzt zu werden.
Ich dachte daran, dass Oletta, Chessie und Nadine einzig und allein wegen ihrer Hautfarbe Angst gehabt hatten, die Polizei zu rufen. Es waren fast zweihundert Jahre vergangen, seit Omus Leben zerstört wurde, aber ich stellte fest, dass sich für Farbige nicht allzu viel geändert hatte. Darüber dachte ich lange nach.
Ich sah einen Streifen Mondlicht über die Blümchentapete wandern und griff nach Olettas Hand.
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Kapitel 16
A m Tag nach dem Überfall war ich ganz wund vor Angst. Ich wollte nicht mal am helllichten Tag auf die Veranda gehen, wenn Oletta nicht bei mir war. Egal, was sie tat, ich klebte an ihr, aber es schien ihr nichts auszumachen. Selbst wenn ich ihr im Weg stand, drückte sie mich und sagte mir, alles sei in Ordnung.
Nachdem wir die Wäsche gemacht hatten, half ich Oletta, einen Kirschkuchen zu backen. Als sie ihn aus dem Ofen zog und sich umdrehte, um ihn auf die Arbeitsfläche zu stellen, fiel sie fast über mich. Der kochend heiße Saft rann am Topflappen vorbei und verbrannte ihr die Finger. Sie schimpfte zwar nicht, aber sie setzte mich an den Küchentisch, um ein ernstes Wörtchen mit mir zu reden.
»Ich weiß, dass du Angst hast«, sagte sie und legte sich einen Eiswürfel auf die Brandblasen, »aber du musst dich in den Griff kriegen. Immer, wenn du deine Angst zulässt, hat der Mann gewonnen. Und jedes Mal, wenn du das tust, wird er stärker und du schwächer. Wenn du deiner Angst nachgibst, wirst du blind. Am Ende bist du für den Rest deines Lebens die Gefangene von dem Kerl.«
Ich saß still da und hörte ihr zu. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass Oletta alles wusste, was man wissen musste; nicht das, was man in der Schule lernt, sondern die Dinge, die wirklich wichtig waren, die Sachen, die dafür sorgen, dass man tagsüber Lieder summt und nachts gut schläft. Ich wusste, dass sie recht hatte, dass ich mich in den Griff kriegen musste, hatte aber keine Ahnung, wie ich das anstellen sollte. Kaum hatte ich mich das gefragt, da stand Oletta auf. »Na komm, heute ist der Tag dafür – du holst dir deine Kraft zurück.«
Sie reichte mir Tante Tooties Blumenschere und einen Weidenkorb vom Regal im Flur und öffnete die Hintertür. Als wir auf die Veranda traten, sagte sie: »Jetzt möchte ich gern, dass du in den Garten gehst und einen schönen Strauß Blumen schneidest. Lass die Stängel lang genug, dass ich sie in eine Vase stellen kann. Ich bleibe hier stehen und pass auf. Dir passiert nichts.«
Der Gedanke, mich so weit von Oletta zu entfernen, war unerträglich, aber ich holte tief Luft und tat, was sie mir gesagt hatte. Ich kaute die ganze Zeit auf meiner Unterlippe herum, und als ich am anderen Ende des Gartens ankam, drehte ich mich um und war erleichtert, Oletta dort in einem Sonnenfleck stehen und mich beobachten zu sehen.
»Gut, und jetzt schneid ein paar Blumen!«, rief sie.
Nachdem ich einen ordentlichen Strauß beisammenhatte, sagte Oletta: »Und jetzt nimm den Korb und geh rüber, an die Seite, und schneid mir noch ein paar Rosen.«
In den Rosengarten zu gehen bedeutete, Oletta aus den Augen zu lassen. »Aber … aber, gehst du mit?«
»Es ist alles in Ordnung, Kind«, rief sie. »Geh mir ein paar Rosen schneiden. Am liebsten mag ich die roten mit der rosa Mitte. Ich warte genau hier.«
Ich wusste, dass ich es tun
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