Die Freifliegerin Ein Hexenthriller (German Edition)
Universums“ mit unseren
Teleskopen beobachten. Kein Zweifel, das Licht brauchte Milliarden Jahre, um
hier herzukommen und uns jetzt sein Bild von diesem alten Teil des Alls zu
vermitteln. Doch sehen wir diese Vergangenheit jetzt so! Wir sehen unser derzeitiges Bild der Vergangenheit. Wir haben keine Ahnung davon, wie
zum Beispiel die Menschen vor Kopernikus die Welt durch so ein leistungsfähiges
Fernrohr gesehen und interpretiert hätten. Was wäre ihnen aufgefallen, wenn sie
durch das Teleskop zum Rand des Universums geschaut hätten, mit ihrem Weltbild,
ihrer Geschichte, ihren Erfahrungen, ihrer kulturell und spirituell geprägten
Wahrnehmung?
7
Zur selben Zeit wundert sich
Tierarzt Dr. Gravogl nur mehr. Er geht im Stall von einem Stand zum nächsten,
kontrolliert eine Kuh nach der anderen, auch die Kälber und den Stier. Mit
einer Lupe inspiziert er die Aftergegend der Rinder, wo sich im Krankheitsfall
die verräterischen Bläschen zeigen. Doch die Symptome sind verschwunden. Damit
bestätigt sich, Gott sei gelobt, sein gestriger sensationeller Befund: Keine
Rückfälle, keine weiteren Erkrankungsfälle! Auch das Fieber hat er bei allen
Kühen gemessen. Keine erhöhte Temperatur. Vielleicht war´s auch nur Glück und
die Krankheit hat sich von selber wieder verzogen. Doch die Studien besagen,
dass es mindestens einen Monat braucht, bis ein durchseuchter Stall wieder
vollkommen symptomfrei ist. Eigentlich wäre damit ja auch alles erledigt. Es
gibt ja ansonsten keinerlei Auswirkungen auf die Tiere, keinen
Qualitätsverlust, weder der Milch, noch des Fleisches, die Fertilität der
Stiere bleibt erhalten und alles wäre nach FBB wieder gut - wenn da nicht
dieser Bericht der amerikanischen Forscher wäre... Jedenfalls sind seine Kühe,
oder besser, die des Karner Bauern, ganz offensichtlich wieder gesund!
Und jetzt überlegt der Gerstl,
wie er an die Heilerin herantreten soll. Irgendwie schämt und ärgert er sich
ein bisschen, weil die Hagazussa so schnell Erfolg hatte. Unsinn natürlich,
denn was hätte er selbst schon tun können. Hätte er mit einer Schamanenrassel
in der Hand um den Rinderstall tanzen sollen? Aber ein dumpfes Gefühl bleibt,
und auf irgend eine Art muss er ihr ja entgegentreten, sich bedanken und so
weiter.
Zum Karner, der gerade durch
die Stalltür hereinkommt sagt er: Rauf auf die Weide mit den Rindviechern! Der
Karner nickt nur. Morgen wird er mit ein paar Helfern die Tiere auf die Weide
treiben. Damit hätte diese Sache also ein Ende, und niemand wird je davon
erfahren. Wortlos zieht der Karner ab.
Sogar der Gravogl, der den
Karner schon lange kennt, wundert sich jedes Mal aufs Neue über diesen
verschlossenen Phlegmatiker, der kaum jemals mehr als drei Wörter sagt. Seit
seine Frau mit dem Traktor auf einer steilen Futterwiese abgestürzt und tödlich
verunglückt ist, lebt er mit seiner elfjährigen Tochter Else alleine am Hof.
Seine Frau, die Konstanze, war noch sehr jung damals:
Kurz vor einem Gewitter war´s,
als die Konstanze rauf auf die steile Wiese fuhr, um das gemähte Heu noch vor
dem Regen einzuholen. Dann muss da irgendwo ein zu großer Stein auf der
Bergseite gewesen sein, und sie war zu rasch unterwegs und auf einmal kippte
der Traktor. Die Konstanze hat es in der sich überschlagenden Landmaschine hin
und hergeworfen wie eine Gliederpuppe. Sie war schon tot, als man sie aus dem
Traktor herauszog.
Der Gravogl atmet tief durch.
Seither läuft beim Karner eben
alles ein bisschen anders. Er ist verschlossen, geht kaum unter Menschen, lacht
so gut wie nie. Aber er liebt seine Tochter über alles, was er zwar nie mit
Worten sagen würde, was man jedoch ganz deutlich in allen seinen
minimalistischen Regungen und Gesten erkennen kann. Bei Else zeigt der Karner,
was er sonst vermissen lässt.
Ein liebes Mädel, diese Else,
denkt der Gravogl. Sie spielt ja öfter auch mit seiner eigenen Kleinen, der
Kathi. Und Else sieht ihrer Mutter Konstanze immer ähnlicher, das hellblonde
Haar, die tiefblauen Augen und die feinen Gesichtszüge. Und allmählich sprießen
auch schon die ersten Anzeichen von Weiblichkeit.
Der Karner ist inzwischen
wieder zur Stalltür raus. Der Traktor springt an und das Knattern entfernt sich
rasch. Gravogl wendet sich wieder den Kühen zu, streicht langsam über ihre
Flanken, tätschelt sie am Hals. Schöne Tiere, herrliches Fleckvieh. Wie hat die
Hagazussa das gemacht? fragt er sich nun. Was hat sie getan, damit das wieder
aufhört, was ihn, seine
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