Die Freifliegerin Ein Hexenthriller (German Edition)
herumerzählen.“
Else ist zornig. Sie spürt, wie
sich ihre Zähne aufeinanderpressen.
„Na dann sag´s halt! Ich kann
ja gehen, oder noch besser: du! Das ist nämlich der Hof von meinem Papa!“
„Feige Ziege!“
Dann nimmt die Kathi eines der beschrifteten
Gläser und schraubt den Deckel auf. Vorsichtig steckt sie die Nase hinein und
schnuppert. Ein widerlicher Geruch schlägt ihr entgegen. Sofort zieht sie die
Nase wieder zurück. Sie lacht.
„Magst auch riechen?“
Neugierig nähert sich Else,
steckt kurz ihre Nase ins Glas und schreckt zurück.
„Pfui Teufel!“
Sie lachen jetzt beide. So
probieren sie alle Gläser durch: Die Tollkirsche riecht ein bisschen widerlich,
die Engelstrompete riecht betäubend und stark, der Eisenhut riecht gar nicht so
schlecht, der Baldrian riecht süßlich und stark, ein wenig auch wie Katzenpipi.
„Engelstrompete klingt
interessant“, meint die Kathi.
„Die hat meine Tante im
Garten“, sagt Else. „Die sind schön. Ganz große, weiße, hängende Blüten, die
unheimlich stark riechen, besser als das Zeug da in dem Glas.“
„Die sind ja schon getrocknet“,
meint Kati. „Wahrscheinlich riechen sie da nicht mehr so stark. Aber wenn das
Zeug sogar im Garten deiner Oma wächst, kann es nicht besonders gefährlich
sein, wenn wir davon probieren. Ist deine Oma vielleicht auch einen Hexe?“
Die Kinder lachen und Else
macht einen Hexenbuckel.
Dann nimmt Kathi die zwei
Tassen, die sie in ihrem kleinen Rucksack mit auf den Heuboden genommen hat,
schüttet jeweils die Hälfte der getrockneten Engelstrompeten in die Tassen. Und
sie nimmt auch noch das Glas mit der Aufschrift Aconitum napellus (Eisenhut) .
„Das hat auch ganz gut
gerochen, da nehmen wir noch ein bisschen dazu!“
Dann noch je zwei Stück Würfelzucker
und das heiße Wasser drauf. Die Mädchen rühren mit einem Teelöffel um. Es
riecht jetzt irgendwie beißend, betäubend. Nach einer Weile seihen sie die
Blätter ab.
„Willst du das wirklich
trinken?“, fragt Else.
„Feige Ziege!“, antwortet
Kathi.
Sie warten noch eine Weile, bis
der Tee lauwarm ist. Dann sagt Kathi:
„Ex!“
Die Mädchen kneifen die Augen
zusammen und halten sich die Nase zu. Else trinkt den Tee in einem Zug aus.
„Kathi!“, ruft es im selben
Moment von unten.
Einen Augenblick lang halten
die Mädchen den Atem an. Dann aber hören sie, wie Kathis Vater, der Gravogl,
die Leiter zum Heuboden hinaufsteigt. Schnell schnappt sie ihre Schultasche,
stellt die noch volle Tasse ab und eilt zur Leiter, damit der Vater die gestohlenen
Gläser der Hagazussa nicht sehen kann.
„Ich komme schon!“, ruft sie.
„Wo bist du denn schon wieder?
Weißt du denn nicht, dass wir heute deine Tante besuchen fahren? Putz dich
einmal ab. Wie du schon wieder aussiehst, voller Heu und Staub. Mädel, mit dir
ist es manchmal ein Kreuz! Und warum hast du dein Handy nicht eingeschaltet,
wenn ich dich anrufen will?“
Aber die Rügen des Vater
Gravogl klingen eher liebevoll denn böse. Er&xnbsp; öffnet die Wagentür, lässt die
kleine Kathi einsteigen und fährt los. Beim Vorbeifahren winkt er noch dem
Karnerbauern, der wieder einmal bis zu den Schultern im Motor seines Traktors
steckt und daran herum werkelt.
Auch die Else ist vom Heuboden
heruntergestiegen. Der Tee war echt grauenhaft. Und ausgerechnet jetzt kommt Kathis
Vater und holt sie. Hat die überhaupt ihren Tee getrunken? Na hoffentlich! Und
was ist jetzt? Fliegen kann sie ja wohl noch immer nicht!
„Die Christl hat dir Brote
hergerichtet!“, schreit der Karner aus den Tiefen seines Traktormotors, als sie
im Hof an ihm vorbeikommt. „Iss was, damit was wird aus dir!“
Else lacht. Das sagt er immer.
Aber Christl, ihre Haushaltshilfe, schmiert immer so viel Butter auf die Brote,
davor ekelt der Else. Sie steuert das Haus an, dann aber geht sie weiter.
Irgendwie hat sie vergessen, was sie eigentlich tun wollte. Da vorne: ihre
Lieblingskatze, die dreifärbige Minka, sie geht zum Waldrand hinauf. Heiß ist
es heute. Sie zieht den Pullover über den Kopf, lässt ihn in auf die Wiese
fallen, geht weiter.
„Minka!“
Else ist ganz atemlos vom
Pulloverausziehen. Aber bei der Hitze eigentlich kein Wunder! Sie stolpert über
die Futterwiese, vorbei an ein paar Mutterkühen mit ihren Kälbchen. Sie liebt
diese kleinen Kälbchen und hat sich geschworen, dass sie, wenn sie einmal
erwachsen ist, keine Kälber verkauft, so wie ihr Vater.
Seltsam: Else spürt jeden
Schritt, den sie macht.
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